Verhandlungen des 40. Deutschen Juristentages 1953 – öffentlichrechtliche Abteilung
Aus dem Text:
„…. Aber wir wissen doch, wie die politischen Dinge sich umgestalten können… Es braucht nicht gleich ein totalitärer Umbruch zu sein, sondern es kann eine Parteikonstellation sein, die an die Spitze der Justizverwaltung eine Persönlichkeit führt, die keine anderen Absichten hat, als von rein parteipolitischen, und d. h. nach meinem Dafürhalten unsachlichen Gesichtspunkten aus gegen die Justiz und ihre Unabhängigkeit Politik zu machen. …. „
Professor Dr. Eberhard Schmidt, Heidelberg:
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Noch niemals bin ich auf einen Juristentag mit so beklommenen Gefühlen gegangen wie auf diesen. Ich hätte mich ja als gewöhnlicher Kriminalist, der ich bin, in die Strafrechtsabteilung zurückziehen können, um dort den sicher sehr friedlichen Auseinandersetzungen zu lauschen. Aber der Mensch hat nun einmal sein Anliegen, und so hat es mich denn doch in diese Abteilung gezogen, weil es hier um die Sache geht, für die ich mich in den letzten Jahren, wie manche von Ihnen vielleicht wissen werden, vielfach bemüht und eingesetzt habe: die Unabhängigkeit der Justiz.
Es wäre mir persönlich lieber gewesen, wenn das Thema dieser Abteilung nicht so kraß auf die „völlige Selbstverwaltung aller Gerichte“ abgestellt hätte, wodurch eine etwas mißverständliche Tönung in das Gemeinte hineingekommen ist. Lieber wäre es mir gewesen, wenn von vornherein das Anliegen herausgestellt worden wäre, um das es ja wohl hier allein geht, nämlich: die Unabhängigkeit der Justiz, die Unabhängigkeit der Rechtsprechung zu schützen gegen alles, was ihr irgendwie von der Machtpolitik her gefährlich werden könnte. [Beifall] Dieses Anliegen hat mich auf der Cannstatter Richtertagung veranlaßt, mich unter dem Eindruck dessen, was van Husen, Eschenburg, Kollmann und andere geschrieben haben, für das einzusetzen, was nun heute unter dieses unglückselige Schlagwort von der „Selbstverwaltung“ der Justiz gebracht worden ist.
Wenn wir dieses Anliegen seit langem haben, so haben wir uns darin erheblich bestärkt gefühlt durch den Verfassungsgesetzgeber selbst. Was Art. 92 GG in Verbindung mit Art. 20 GG über die Rechtsprechung sagt, das schien mir denn doch eben etwas ganz wesentlich Anderes zu sein als alles das, was in früheren Verfassungen über Justiz und Rechtsprechung gesagt worden ist. Indem ich nun ebenso wie viele andere den Versuch gemacht habe, den Sinn und Gehalt dieses Art. 92 in Verbindung mit Art. 20 zu erschöpfen, muß ich mir von dem Herrn Gutachter sagen lassen, daß ich da eine „schwarze Kunst“ triebe, ein „Hantieren mit dem Wortlaut“. Nun, ich kann demjenigen, der dieses Dictum geprägt hat, nur das eine erwidern: Ich habe den Art. 92 und den Art. 20 GG zu sehen und zu verstehen gesucht auf dem Hintergrunde der ganzen ungeheuer bewegten Justizgeschichte unseres Volkes, in der es doch wirklich dramatische Erscheinungen gegeben hat, Erscheinungen, aus denen man ganz deutlich sehen kann, wie gefährlich die reine Parteipolitik und die Machtpolitik der Unabhängigkeit der Rechtsprechung oft genug geworden ist und jeden Augenblick wieder werden kann. Wenn nun in der Verfassung davon gesprochen wird, daß den Richtern die rechtsprechende Gewalt „anvertraut“ wird, so ist es doch wohl alles andere als Worklauberei, wenn man im Hinblick auf alles das, was geschehen ist, und im Hinblick auf die Gefahren, die immer noch da sind, der Meinung ist, der Verfassungsgesetzgeber selbst wolle jetzt irgend etwas Neues in bezug auf die Gestaltung der Justiz und ihrer Organisation.
Und da sind es die Arbeiten von van Husen, Eschenburg und anderen gewesen, die einen sehr starken Eindruck auf mich gemacht haben, weil ich leider feststellen muß, daß die Verfassung selber – und auch Thoma hat das ja in seinem Gutachten zur Rechtsstellung des Bundesverfassungsgerichts ausgeführt – nicht das letzte Wort über die organisatorische Ausgestaltung der rechtsprechenden Gewalt gesagt hat. Ist es wirklich „undemokratisch“, darüber nachzudenken, was nach dieser Richtung noch geschehen kann ? Ist es wirklich „verfassungswidrig“, wenn man den Versuch macht, den Sinn des Art. 92 und 20 GG bis zum Letzten zu erschöpfen und daraus die Konsequenzen zu ziehen, Konsequenzen, die, zugegeben, einmal etwas anders aussehen als das bisher übliche Bild der Justizverwaltung? Ich kann darin nichts Verfassungswidriges sehen und bin der Meinung, daß die Vorschläge, die insoweit gemacht worden sind, sich durchaus, weil sie dem Grundgedanken der Art. 92 und 20 GG gerecht werden wollten, im Rahmen des Verfassungsmäßigen bewegt haben.
Nun aber bin ich den beiden Herren Referenten dankbar dafür, daß sie durch ihre Ausführungen die ziemlich vergiftete Atmosphäre, die vor dem Juristentag in bezug auf unser Thema Platz gegriffen hatte, wieder bereinigt haben. Diese beiden Referate waren in ihrer Gründlichkeit und in ihrer Besonnenheit so vorzüglich, daß meine Unlustgefühle abgeflaut sind, und ich mochte mich denn heute, zumal die Redezeit ja ganz wesentlich eingeschränkt ist, nur ein wenig mit diesen beiden Referaten zu beschäftigen suchen. Sie kennen alle die Vorschläge der Herren Eschenburg und van Husen und vielleicht auch den Vorschlag, den ich auf der Cannstatter Richtertagung gemacht habe; wir alle wollten nichts anderes, als der rechtsprechenden Gewalt eine organisatorische Gestalt geben, die im praktischen Leben eine effektive Abschirmung gegen unsachliche Einflüsse – insbesondere von Seiten der Parteipolitik – bedeutet, weiter gar nichts. Wenn ich die Thesen auf mich wirken lasse, die Herr Kollege Ipsen aufgestellt hat, insbesondere seine Thesen 7, 8 und 9, dann muß ich sagen, daß in diesen Thesen so vieles von dem anerkannt ist, was die vorhin erwähnten Vorschläge der sog. „Entfesselungsdebattanten“ – wie man uns bezeichnet – erstrebt haben, daß, wenn diese Ipsenschen Vorschläge durchgehen würden, ich mich weitgehend beruhigt fühlen könnte. Ich frage mich nur eines: Wenn man die Ipsenschen Vorschläge sich verwirklicht denkt, wenn man also davon ausgeht, daß die ministerielle Spitze der Justizverwaltung in den wesentlichsten Beziehungen, in denen sie sich heute von der Politik her der Justiz gegenüber zu betätigen und durchzusetzen vermag, weitgehend beschränkt ist, ist denn dieser „Justizminister“, der dann noch übrig bleibt, wirklich ein Minister in dem bisher üblichen verfassungsrechtlichen Sinne? Ist er nicht eigentlich schon so ungefähr das, was Herr Kollege Eschenburg als den Chef der Justizverwaltung vorgeschlagen hat, nur mit dem Unterschiede, daß nach dem Vorschlage von Herrn Eschenburg dieser Chef der Justizverwaltung aus einer besonders gearteten Wahl hervorgehen soll, während der Justizminister durch die politischen Parteikonstellationen in sein Amt berufen wird ? In der Sache selbst vermag ich kaum noch einen sehr weitgehenden Unterschied zu sehen, und gerade weil dem so ist, meine ich, daß – wenn die Ipsenschen Vorschläge sich durchsetzen würden – tatsächlich sehr viel von dem verwirklicht sein würde, was von Seiten derjenigen, die für die sogen. „Selbstverwaltung“ der Rechtsprechung eingetreten sind, gefordert worden ist. Freilich will es mir scheinen, als ob namentlich in der These VII die ganze Methode der Richterauswahl doch eine zu komplizierte ist. Aber ich will mich nicht in Einzelheiten verlieren. Das, worauf es mir bei den Ipsenschen Thesen VII und VIII ankommt, ist, daß in allen wesentlichen Beziehungen, in denen die rechtsprechende Gewalt mit der Machtpolitik zusammenstoßen kann, den rein politischen Entscheidungen eine Maßgabe beigefügt worden ist von der Art, daß überall das nur im Richterberuf selber sich gestaltende Verantwortungsbewußtsein und die im Richterberuf selbst sich gestaltende Sachkunde sich in diese Entscheidungen einschalten kann, um die wesentlichsten Angelegenheiten der rechtsprechenden Gewalt zu gestalten.
Herr Dr. Arndt hat gestern in seinem Vortrage über das Wesen dessen, der zum Richter „berufen“ ist, so ausgezeichnete Ausführungen gemacht, daß ich, als er diese Dinge vortrug, gewissermaßen den alten Freiherrn von Schwarzenberg selber reden hörte, der ja bekanntlich in unübertroffener Weise zu sagen gewußt hat, was das Wesen des Richters ist. Gerade weil ich mit Herrn Arndt in Bezug auf dieses Wesentlichste des Richters so vollkommen übereinstimme, weil auch ich der Meinung bin, daß zum Wesen des Richters jene Fähigkeit gehört, nicht einseitig zu sehen, jene Fähigkeit, sich ständig zu zügeln, jene Fähigkeit, zu verstehen, wie im Leben die Konflikte unvermeidlich sind und wie nun der Ausgleich gesucht werden muß unter dem Gesichtspunkte einer höheren Gerechtigkeit, gerade weil ich dies alles in meinen Vorstellungen mit dem Richteramte verbinde, gerade darum, meine Damen und Herren, habe ich ja immer die Sorge, daß dieses Richteramt justizverwaltungsmäßig nicht richtig und sachgemäß betraut und betreut wird, wenn an der Spitze der Justizverwaltung ein Minister im bisher üblichen Sinne steht, der nun einmal bei ungünstigen Parteikonstellationen u. U. in die Lage kommt, der Justiz gegenüber eine Politik zu machen, die mit dem Wesen des Richteramtes nicht verträglich ist. Nun ist das freilich ein neuralgischer Punkt: Man kommt, wenn man solche Dinge sagt, immer in die Gefahr, dahin mißverstanden zu werden, als wollte man sich an irgendwelchen gegenwärtig amtierenden Persönlichkeiten reiben und ihnen irgendwelche Vorwürfe machen: das liegt mir wirklich völlig fern. Aber wir wissen doch, wie die politischen Dinge sich umgestalten können; wir haben doch leider Gottes Erfahrungen, die traurig genug sind, um zu wissen, wie rasch ein Umschwung einmal kommen kann. Es braucht nicht gleich ein totalitärer Umbruch zu sein, sondern es kann eine Parteikonstellation sein, die an die Spitze der Justizverwaltung eine Persönlichkeit führt, die keine anderen Absichten hat, als von rein parteipolitischen, und d. h. nach meinem Dafürhalten unsachlichen Gesichtspunkten aus gegen die Justiz und ihre Unabhängigkeit Politik zu machen. Das sind Gefahren [Beifall], die doch da sind, und Herr Kollege Ipsen hat m. E. völlig recht, wenn er in einer seiner ersten Thesen davon spricht, daß derartige Gefahren bisher weder normativ noch organisatorisch noch sonstwie so ausgeschaltet sind, daß man mit ihnen nicht zu rechnen brauchte und nicht rechnen düfte. Solange man aber damit rechnen darf und rechnen muß, solange, um nur das eine zu sagen, zur Zeit immer noch eine freiheitsfeindliche Partei als verfassungsmäßig anerkannt und demgemäß auch regierungsfähig ist, von der wir doch wohl alle wissen, wie sie zur Unabhängigkeit der Justiz steht, so lange sehe ich voller Sorgen Gefahren, um die ich nicht herum komme und denen gegenüber nach meinem Dafürhalten etwas sehr Energisches geschehen muß, um der Justiz in ganz handfesten Organisationsmaßnahmen einen wirklichen, effektiven Schutz gegen eine unsachliche Parteipolitik zu geben. [Beifall]
Nun hat Herr Kollege Arndt gestern vom Wesen des „Politischen“ gesprochen und außerordentlich viel Richtiges in dieser Beziehung gesagt, was zu der Einsicht führt, daß natürlich auch die Tätigkeit der Gerichte, die Tätigkeit eines jeden Richters hineingebettet ist in das „Politische“ in einem höheren Sinne, und daß es gerade das Wesentlichste der richterlichen Arbeit ist, sich über das rein Parteipolitische, Interessenmäßige hinwegzusetzen und hinwegzuerheben, um nach Gesichtspunkten einer höheren Gerechtigkeit die großen Konflikte auszugleichen, die es im Bereiche des Politischen gibt. Wenn Herr Arndt nun von diesem Standpunkte, von dieser Auffassung des Politischen her, gegen die These VII von Herrn Ipsen polemisiert hat und, wenn ich ihn recht verstanden habe, der Meinung gewesen ist, daß in den Wahlausschüssen, die die Richter wählen sollen, eben die Richter selber nicht mitwirken sollen, dann muß ich allerdings gestehen, daß mir hier einfach das Vertrauen dazu fehlt, daß derartige rein parlamentarisch-parteipolitisch gebildete Wahlausschüsse wirklich mit der notwendigen Sachlichkeit gegenüber der Sachaufgabe der Justiz ihres Amtes walten. [Beifall]
Ich kann mir nicht helfen, Sie mögen sagen, das seien Gefühle, das seien Stimmungen, das müßte erst einmal bewiesen werden; aber man hat ja auch in die Dinge hineingehorcht, hat zu vieles beobachtet und erfahren, und was man dabei aus der Tätigkeit solcher Wahlausschüsse gelegentlich gehört hat, sehr beglückend und erfreulich ist es nun gerade nicht gewesen. Und darum begrüße ich es, daß im Sinne der Ipsenschen These VII diese Wahlausschüsse durchsetzt werden sollen mit solchen Persönlichkeiten, die das Wesen des Richters in eigener Person erfahren haben und das Wesen des Richters in eigener Person repräsentieren. Es ist das Mindeste, was m. E. für eine Neugestaltung der Richterwahl, Richterbeförderung usw. gefordert werden muß. Wohler würde mir bei den Vorschlägen von Herrn Eschenburg sein, die ich schon aus dem Grunde gar nicht für mit der Verfassung unvereinbar ansehen kann, weil ja nach ihnen der Chef der Justizverwaltung, den Herr Eschenburg als aus bestimmten Wahlen hervorgegangen sich vorstellt, jederzeit durch den Staats-, den Ministerpräsidenten abberufen werden kann, so daß also hier das Nötige an parlamentarischer Kontrolle durchaus gegeben wäre. Aber was für mich das Entscheidende ist, das ist in dem Vorschlage von Herrn Eschenburg die Tatsache, daß jeweils an die Stelle dieser Spitze der Justizverwaltung eine Persönlichkeit kommt, die zunächst einmal selbst die Fähigkeit zum Richteramt haben muß, von der überdies auf Grund ihrer beruflichen Entwicklung angenommen werden muß, daß sie sich im Richterdienst, Justizdienst oder Anwaltsberuf persönlich bewährt hat, und die gewählt wird von Persönlichkeiten, denen im Hinblick auf ihre Stellung zum Ganzen des Justizorganismus ein besonders gesteigertes Verantwortungsgefühl für das, was ihnen mit dieser Wahl zugemutet wird, zugebilligt werden kann. Es ist nach meinem Dafürhalten notwendig, daß gerade das Wesen der richterlichen Funktion, daß das Gefühl für das ganz Eigenartige der richterlichen Stellung, wie sie gerade durch unser Grundgesetz begründet worden ist, daß das Wissen und die Erfahrung um diese Dinge immer dort mitspielen, wo es um die entscheidenden Angelegenheiten im Bereich der Justizorganisation und -verwaltung geht, und das sind natürlich in erster Linie die Auswahl zum Richteramt und die Richterbeförderung.
Nun wird gesagt, das sei ja alles gar nicht nötig, der Richter stehe selber mitten drin im demokratischen Leben, habe die Freiheit der Meinungsäußerung, und es sei nur nötig, daß die Justiz endlich einmal sich auf sich selbst besinne, ihre Pressestellen verstärke und nun hineinwirke in die Öffentlichkeit, in die öffentliche Meinung, um hier ihre Auffassung gegenüber feindseligen oder nicht-verstehenden Richtungen in der öffentlichen Meinung durchzusetzen.
Ganz schön gesagt! Wenn man’s so hört, möcht’s leidlich scheinen! Aber ich kann mir nicht helfen, ich habe das Gefühl, daß alle diese schönen Vorschläge, die die Justiz auf die öffentliche Meinung und den Schutz seitens der öffentlichen Meinung vertrösten, nicht von dieser Welt sind. Denn nach meinem Dafürhalten ist die ganze Gestaltung unseres publizistischen Wesens so, daß es der Justiz überaus schwer werden würde, sich gegebenenfalls mit ihrer Meinung gegenüber einer irgendwie geschickt aufgemachten gegnerischen Richtung auseinanderzusetzen. Das liegt der Justiz nicht, das soll ihr auch gar nicht liegen. Der Schutz der Justiz muß von anderer Seite kommen, und wir können uns unmöglich in bezug auf das Problem der Unabhängigkeit der Justiz damit beruhigen, daß die rechtsprechende Gewalt ihre Unabhängigkeit schon jeweils im Bereich der öffentlichen Meinungsauseinandersetzungen und Kritik selber würde verteidigen und durchsetzen können. Das scheint mir denn doch eine etwas sehr schwache Vertröstung zu sein gegenüber dem, was nach meinem Dafürhalten einfach bitter notwendig ist.
Ich will mich hier gar nicht auseinandersetzen mit der Frage, ob der Vorschlag, den ich selber zur Sache gemacht habe, vom Standpunkt unserer heutigen Verfassung aus realisierbar ist. Nach meinem Dafürhalten könnte man mit dem Eschenburgschen Vorschlag durchaus durchkommen. Wenn man aber der Meinung sein sollte, daß das unter dem Gesichtspunkte einer notwendigen Verfassungsänderung schwierig sein würde – ich bin übrigens der Meinung, daß die Unabhängigkeit der Justiz eine Messe, d. h. auch eine Verfassungsänderung wert ist, wenn es nicht anders geht -, wenn man also der Meinung sein sollte: Fordere lieber etwas weniger, damit du wenigstens das bekommst – gut, dann bin ich gern bereit, mich auf den Standpunkt der Vorschläge des Herrn Kollegen Ipsen zu stellen, wenn nur überhaupt das Anliegen, das uns bewegt, endlich befriedigt wird. Ich glaube, daß dieses Anliegen im Bereiche der Richterberufe aller Schattierungen außerordentlich lebhaft empfunden wird. Aber, meine Damen und Herren, es muß nun auch tatsächlich in den zu erwartenden Richtergesetzen, auf die wir alle hoffen, endlich etwas geschehen, was nicht gemacht wird nach dem Rezept „wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß“, sondern was wirklich als etwas Neues einen effektiven Schutz der Unabhängigkeit der Justiz bedeutet.
Ich bin kein Verfassungsrechtler und kann mich infolgedessen auch auf die schwierigen und feinen verfassungsrechtlichen Begriffsangelegenheiten hier nicht einlassen, die mir entgegengehalten worden sind. Ich kann nur wiederum aus der großen rechtshistorischen Sicht sagen, daß und warum eben dieses Anliegen der Unabhängigkeit der Justiz so außerordentlich ernst genommen werden muß und nur dann wirklich als ernst genommen angesehen werden kann, wenn etwas geschieht, um im Bereiche des Organisatorischen ganz feste Maßnahmen zu schaffen, die der Justiz geben, was sie braucht.
Nun wird gesagt: Ja, wenn Ihr eine solche Mitwirkung des Richtertums in den wichtigen Dingen der Amtsbesetzung und der Beförderung einführt, so würde das eine üble Kameraderie geben. Es wird hingewiesen auf irgendein englisches Beispiel aus dem Jahre 1915, wo angeblich einmal festgestellt worden ist, daß es unter solchen Voraussetzungen zu einem üblen Nepotismus gekommen ist, wobei übrigens nichts darüber gesagt wird, ob die damals im Jahre 1915 in England ausgewählten Richter nichts getaugt haben, ob sie nicht vielleicht ganz hervorragende Richter gewesen sind, die auf diesem Wege in ihr Amt gekommen sind – das wäre ja auch noch möglich. Aber was interessiert uns denn überhaupt dieses abliegende, weit hergeholte englische Beispiel? Wie kommt man dazu, es angesichts solcher Vorschläge, wie sie von Herrn Eschenburg und anderen gemacht worden sind, von vornherein als eine gewissermaßen feststehende Tatsache hinzustellen, daß damit eine richterliche Inzucht, eine Kameraderie usw. verbunden sein müßte? Das müßte doch erst einmal bewiesen werden.
Ich glaube, daß wir nur auf den vorgeschlagenen Wegen zu einem Ziele gelangen, an dem uns allen gelegen sein sollte. Libertatem servare ac restituere, dieses Wort von Herrn Präsident Ruscheweyh möchte ich hier noch einmal wiederholen. Das ist das Wort, das ist das Zeichen, unter dem ich die ganze Frage der Unabhängigkeit sehe. [Beifall]