Selbstverwaltung der Justiz

 

Beschluss „Selbstverwaltung“

Beschluss der Bundesvertreterversammlung des Deutschen Richterbundes vom 15.11.2002 in Kiel

Die Verfassung fordert, die Justiz für die Rechtsuchenden unabhängig und leistungsfähig zu erhalten. Der Deutsche Richterbund sieht es als seine vornehmste Aufgabe an, die gefährdete Leistungsfähigkeit und die Unabhängigkeit der Justiz zu sichern. Die Einführung der sogen. Neuen Steuerungsmodelle bietet Chancen, birgt aber auch Gefahren für den Kernbereich der Tätigkeit von Richtern und Staatsanwälten und wirft zahlreiche neue Probleme auf, auch daher gehören strukturelle Fragen auf den Prüfstand. Der gegenwärtige Aufbau der Judikative ist geprägt von einem Systembruch, weil an ihrer Spitze der Justizminister als Repräsentant der Exekutive steht. Der Exekutive ist es bisher nicht gelungen, den berechtigten Mittelbedarf der Justiz zu decken. Das vom Grundgesetz gezeichnete Bild des Richters wie des Staatsanwalts ist so lange nicht verwirklicht, als die Exekutive die für die Justiz bewilligten Mittel verteilt und Personalentscheidungen durch das Kabinett getroffen oder. maßgeblich beeinflusst werden.

Der Deutsche Richterbund fordert mittel- und langfristig eine möglichst umfassende Selbstverwaltung der Justiz in finanzieller, personeller und organisatorischer Hinsicht. Nur dies sichert dauerhaft die Unabhängigkeit der Richterinnen und Richter und wird der besonderen Stellung der Staatsanwaltschaften gerecht. Bürgerinnen und Bürger haben einen Anspruch darauf, dass Gerichte und Staatsanwaltschaften ihre Aufgaben bestmöglich und zeitnah erfüllen. Die Justizverwaltung hat demgegenüber dienenden Charakter. Der DRB wird die anhand des Abschlusspapiers der Arbeitsgruppe Selbstverwaltung begonnene Diskussion fortsetzen, namentlich zu folgenden Punkten:

  • Jede neue Struktur- und Organisationsform muss die Unabhängigkeit sichern sowie die Arbeitsfähigkeit und die Qualität der Justiz verbessern.
  • Es sind die verfassungsrechtlichen Grundlagen für eine Selbstverwaltung der Justiz festzustellen. Zu prüfen ist, wie Haushalts- und Personalentscheidungen in einer selbst verwalteten Justiz demokratisch legitimiert und wie Richter und Staatsanwälte im Sinne der verfassungsrechtlich gebotenen Bestenauslese ausgewählt werden können.
  • Es ist zu konkretisieren, welche einfachgesetzlichen Regelungen für eine Selbstverwaltung der Justiz zu schaffen oder zu ändern sind.
  • Die Zusammensetzung künftiger Leitungsgremien der Justiz (Justizverwaltungsrat) ist im Hinblick auf die angemessene Beteiligung der Fachgerichtsbarkeiten und der Staatsanwaltschaften und im Hinblick auf Arbeitsfähigkeit in Stadt- und Flächenstaaten näher zu diskutieren.
  • Es ist zu untersuchen, wie eine Aufspaltung des Justizverwaltungsrates in parteipolitisch gebundene Fraktionen vermieden werden kann.
  • Zahlreiche europäische Länder entwickeln Elemente der Selbstverwaltung der Justiz. Deren Erfahrungen sind auf ihre Praxistauglichkeit und darauf zu überprüfen, ob sie Anregungen für bundesdeutsche Modelle geben können.

Der DRB wird weitere konkrete und länderspezifische Modelle zur Selbstverwaltung entwickeln, die sich auch mit dem Abbau hierarchischer Strukturen in der Justiz, den Mängeln des geltenden Beurteilungs- und Beförderungswesens und der Rolle der Staatsanwaltschaft befassen werden.

In jedem Fall ist die Eigenverantwortung der Justiz weiter zu stärken und auszubauen. Der Deutsche Richterbund hält eine Stärkung der Richter- und Staatsanwaltsvertretungen auf der Grundlage der Magdeburger Beschlüsse (vgl. Bundesvertreterversammlung vom 23./24.04.1998) in allen Bundesländern für erforderlich, insbesondere ein Initiativrecht der Mitbestimmungsgremien und eine umfassende Mitbestimmung bzw. Mitwirkung der Richter und Staatsanwälte

  • bei der Haushaltsmittelanmeldung und -verteilung,
  • bei Personalentwicklung und Personalentscheidungen,
  • bei Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement.

Dazu fordert der Deutsche Richterbund

  • eine Ermittlung des zur Aufgabenerfüllung erforderlichen sachlichen und personellen Bedarfes in eigener Verantwortung der Gerichte und Staatsanwaltschaften,
  • im Konfliktfall ein Recht zur Begründung dieses Bedarfes im Parlament,
  • eine Haushaltsbewirtschaftung durch die einzelnen Gerichte und Staatsanwaltschaften (dezentrale Ressourcenverantwortung),
  • eine Ausweitung der rahmenrechtlichen Mitbestimmungsregelungen des DRiG,
  • ein transparentes und allein den grundgesetzlichen Qualitätskriterien verpflichtetes Verfahren zur Personalauswahl auf allen Ebenen unter angemessener Beteiligung von Richtern und Staatsanwälten ,
  • eine umfassende Neuregelung des Berufsrechts der Staatsanwälte. Das externe Weisungsrecht im Einzelfall und die sog. Absichtsberichte an das Justizministerium sind abzuschaffen, sowie
  • die Abschaffung der Stellung des Generalbundesanwaltes sowie der Generalstaatsanwälte in allen Ländern als politische Beamte.