Der nachstehende Beitrag schildert Demontagen des deutschen Rechtsstaats in den Jahren zwischen 1933 und 1945 – und ihre Beibehaltung in der Bundesrepublik Deutschland.
Aus dem Text:
„…. wie kann man bei der Regelung der Rechtsverhältnisse der Richter in einem Staat mit einer Grundordnung wie der unsrigen eine Regelung gutheißen, die nicht einmal das Kaiserreich gekannt hatte (geschweige denn die Weimarer Republik), sondern die erst die Diktatur eingeführt hatte! .…“
Oberlandesgerichtsrat , Frankfurt a.M.
Günter W e i s t
Aus: Deutsche Richterzeitung (Organ des Deutschen Richterbundes – Carl Heymanns Verlag), Jahrgang 1968, Seite 223 ff.
Einem im Wachsen begriffenen Teil der Richterschaft kommt mehr und mehr zum Bewußtsein, daß die in Bund und Ländern zur Regelung der Rechtsstellung der Richter ergangenen besonderen Gesetze (Richtergesetze) keine der Vorentscheidung des Grundgesetzes entsprechende Ausgestaltung des Richterverhältnisses gebracht haben: keine Art und Weise der Ausgestaltung, die der Tatsache Rechnung trägt, daß der Verfassungsgesetzgeber dem Richter einen Status verliehen hat, der es nicht mehr erlaubt, ihn weiterhin wie einen Beamten (den „richterlichen“ Beamten) zu behandeln und das Richterverhältnis als seiner Natur nach eben doch nichts weiter als ein Beamtenverhältnis besonderer Art („richterliches“ Beamtenverhältnis) anzusehen. Untersucht man die Gesetze nämlich in den Details, kann die Feststellung nicht ausbleiben: bis auf die Abkehr von den Ausdrücken „Beamter“ (richterlicher) und „Beamtenverhältnis“ (richterliches) ist fast alles beim alten geblieben, d. h. soweit nicht gar bei einem Zustand, wie ihn erst der Gesetzgeber des Dritten Reiches auf dem Wege zunehmender Beschneidung der auf dem Papier ja weiterbestehenden sachlichen Unabhängigkeit dem „richterlichen Beamten“ beschert oder wiederbeschert hat, so doch bei einem Zustand, der von dem weit entfernt ist, was hätte geschehen können (und müssen), um die Garantie der sachlichen und persönlichen Unabhängigkeit so vollkommen mit Leben zu erfüllen, daß Richter und Bürger überzeugt sein können: Für die Regierung und ihre Organe ist auch nicht der Hauch einer Möglichkeit offengeblieben, die Rechtsprechung zu beeinflussen, der Richter ist wirklich „nur dem Gesetz“ unterworfen. Das mit diesem Aufsatz angesprochene Kapitel der Dienstaufsicht ist ein Musterbeispiel dafür. Es zeigt sich das einmal in der Behandlung der Frage durch den Gesetzgeber, ob es eine solche auch für den Richter geben muß, und zum anderen darin, in wessen Hand der Gesetzgeber die Dienstaufsicht bei Bejahung der Frage gelegt, wem er sie anvertraut hat.
Zunächst zur Frage: Muß es überhaupt sein, daß Richter einer Dienstaufsicht unterworfen werden, oder ist das nicht vielmehr entbehrlich, wenn nicht bei der Gesamtheit der Richterschaft, so doch wenigstens bei hohen Richtern? Der Gesetzgeber entschied sich für ein Nein. § 26 Abs. 1 DRiG ist der Ausdruck dafür. Denn mit den Worten, „nur, soweit nicht seine Unabhängigkeit beeinträchtigt“ werde, unterstehe der Richter einer Dienstaufsicht, sollte bekanntlich zugleich gesagt werden: Der Richter untersteht einer Dienstaufsicht, jeder Richter, soweit das Gesetz nicht Ausnahmen offenhält, und danach sogar auch der Richter an den sog. Bundesgerichten, also am Bundesgerichtshof, am Bundesverwaltungsgericht, am Bundesfinanzhof, am Bundesarbeitsgericht und am Bundessozialgericht (1).
Diese Entscheidung des Gesetzgebers ist immerhin erstaunlich. Denn die Richter des Reichsgerichts waren – wie vordem auch schon die des Bundes-, späteren Reichsoberhandelsgerichts – von jeder Dienstaufsicht frei (2). Erst das Dritte Reich hatte auch sie einer solchen unterworfen: mit § 14 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung vom 20. 3. 1935 nach der sog. „Verreichlichung“ der Justiz (3). Das gleiche gilt für die Richter des – organisatorisch mit dem Reichsgericht eine Einheit bildenden – Reichsarbeitsgerichts. Frei von jeder Dienstaufsicht waren auch die Richter des Preußischen Oberverwaltungsgerichts gewesen, von seiner Gründung im Jahre 1875 an (4). Sie hatten diese Freiheit gar erst 1941 verloren: mit der Errichtung des Reichsverwaltungsgerichts, indem ihr Gerichtshof in diesem aufging und dann alle Richter des Reichsverwaltungsgerichts der Dienstaufsicht des Reichsministers des Innern durch § 7 Abs. 1 der Ersten Durchführungsverordnung vom 29. 4. 1941 zum Führer-Erlaß über die Errichtung des Reichsverwaltungsgerichts unterstellt wurden (5). Auch die Richter am Reichsfinanzhof waren keiner Dienstaufsicht unterworfen, sie sogar bis zuletzt nicht (6). Den gleichen Vorzug hatten darum die Richter am 1950 errichteten Bundesfinanzhof genossen, ehe das Deutsche Richtergesetz die gegenteilige Entscheidung traf (7). Das gleiche gilt übrigens auch für die Richter am 1953 errichteten Bundesverwaltungsgericht. Auch sie hatten zunächst keiner Dienstaufsicht unterstanden (8). Denn einer Dienstaufsicht unterliegen Richter nicht von selbst, wie die obenerwähnten Beispiele aus der Zeit der Reichsgründung zeigen, sondern nur im Falle der Unterstellung unter eine solche durch Gesetz (9) Die einzige Vorschrift, die hätte bewirken können, daß die Richter des Bundesverwaltungsgerichts wie die Richter des Reichsverwaltungsgerichts einer Dienstaufsicht unterlagen: der obengenannte § 7 der Ersten Durchführungsverordnung vom 29. 4. 1941 war mit § 85 des Gesetzes über das Bundesverwaltungsgericht vom 23. 9. 1952 – BGBI I 625 – ausdrücklich aufgehoben worden (durch ausdrückliche Aufhebung der ganzen Ersten Durchführungsverordnung). Was Adolf Arndt im Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsschutz ohne Widerspruch vorgetragen hatte: daß die Richter der Dienstaufsicht des zuständigen Bundesministers ganz von selbst unterlägen (10), war also falsch. Endlich sind keiner Dienstaufsicht unterworfen gewesen die Mitglieder des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs und des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts, solange es diese Gerichtshöfe gab, denn auch sie genossen wie die Richter am Preußischen Oberverwaltungsgericht dieselbe Rechtsstellung wie die Richter am Reichsgericht (10a).
Man muß sich angesichts dieser Tatsachen wirklich fragen: Hat der das Deutsche Richtergesetz verabschiedende Gesetzgeber das alles nicht gewußt? Wußten es nicht einmal die Mitglieder des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages, insbesondere selbst nicht einmal die Experten unter ihnen, obwohl bereits 1954 fast all das zusammengestellt worden war und der Verfasser der Untersuchung – der Tübinger Rechtslehrer Prof. Dr. Fritz Baur – dabei die für die Richter am Bundesgerichtshof geltende Regelung aus der Zeit des Dritten Reiches ausdrücklich als „sachlich unbefriedigend“ bezeichnet hatte? (11) Denn wie kann man bei der Regelung der Rechtsverhältnisse der Richter in einem Staat mit einer Grundordnung wie der unsrigen eine Regelung gutheißen, die nicht einmal das Kaiserreich gekannt hatte (geschweige denn die Weimarer Republik), sondern die erst die Diktatur eingeführt hatte! Da bietet doch selbst die freilich etwas größere Zahl der Richter an den heutigen obersten Bundesgerichten gegenüber der Richterzahl an den obersten Gerichtshöfen des Reiches keine hinreichende Erklärung, zumal wenn man bedenkt, daß zu den Richtern am Reichsgericht, Reichsarbeitsgericht und Reichsfinanzhof noch eine beträchtliche Zahl von Richtern in Landesdiensten kamen, die den gleichen Vorzug der Dienstaufsichtsfreiheit genossen wie die Richter des Reichsgerichts (Preußisches Oberverwaltungsgericht, Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Sächsisches Oberverwaltungsgericht). Zumindest mangelnde Kenntnis der Geschichte der Dienstaufsicht muß leider als Ursache befürchtet werden. Das zeigt auch die Begründung, die der Rechtsausschuß für seinen Vorschlag gab, den § 22 Abs. 1 des Entwurfs eines Deutschen Richtergesetzes so zu fassen, wie er als § 26 Abs. 1 dann verabschiedet wurde. Denn sonst hätte diese nicht lauten können (12): Auch das Richterverhältnis sei ja wie das Beamtenverhältnis ein „Dienst“-verhältnis (des öffentlichen Rechts), für den Richter müsse daher insoweit dasselbe gelten wie für den Beamten, auch der Richter stehe (!) also unter einer „Dienst“aufsicht, nämlich derjenigen seiner „Dienst“vorgesetzten im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 BBG (= die „für beamtenrechtliche Entscheidungen über die persönlichen Angelegenheiten der … nachgeordneten Beamten“ zuständigen Beamten). Erstens ist das Richterverhältnis – nicht nur das der Richter am Bundesverfassungsgericht (13), sondern das aller Richter – kein „Dienst“-, sondern ein „Amts“-verhältnis des öffentlichen Rechts, trotz Zugehörigkeit auch des Richterrechts zum Recht des öffentlichen Dienstes im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG (14). Bereits die Subsumtion war also falsch. Falsch war aber auch der aus der Subsumtion gezogene Schluß. Denn wie aufgezeigt, waren die Richter des Reichsgerichts, des Reichsarbeitsgerichts, des Reichsfinanzhofes sowie des Preußischen Oberverwaltungsgerichts, des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs und des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts keiner Dienstaufsicht unterstellt worden, obwohl man das Amtsverhältnis der Richter damals als Beamtenverhältnis ansah (wie übrigens damals auch das Amtsverhältnis der Minister) und damit als Dienstverhältnis des öffentlichen Rechts im Sinne des heutigen Sprachgebrauchs und den Richter als Beamten („richterlichen“ Beamten). Daß die Richter in einem „Dienst“-verhältnis (des öffentlichen Rechts) stünden, konnte also nie und nimmer als ausreichende Begründung dafür herhalten, daß somit auch alle Richter einen Dienstvorgesetzten hätten und somit alle Richter einer Dienstaufsicht unterworfen seien, sogar so ausgesuchte Persönlichkeiten wie die Präsidenten dieser höchsten Gerichte. Daß sonach eine irrtümliche Betrachtungsweise des Richterverhältnisses und mangelnde Kenntnis der geschichtlichen Entwicklung des Rechts der Dienstaufsicht über Richter zu dem Ergebnis geführt hat, daß heute alle Richter, selbst die der höchsten Gerichte, einer Dienstaufsicht unterliegen, ausgenommen einzig und allein die Richter des Bundesverfassungsgerichts (die aber erst darum kämpfen mußten! (15)), ist um so beklagenswerter, als in der 1. Legislaturperiode immerhin Ansätze dafür vorhanden waren, der Gewaltentrennung wenigstens an der Spitze des Aufbaues Rechnung zu tragen. Bei Einbringung des Gesetzes über das Bundesverwaltungsgericht war die Bundesregierung nämlich dafür eingetreten, daß immerhin der Präsident dieses hohen Gerichts keiner Dienstaufsicht unterliegen sollte (sondern vielmehr nur die übrigen Richter des Bundesverwaltungsgerichts einer Dienstaufsicht unterliegen sollten – der des Präsidenten) (16). Daß auch die Präsidenten „anderer“ oberer Bundesgerichte (also die des Bundesgerichtshofs und des Bundesfinanzhofs nach dem damaligen Stand der Errichtung von oberen Bundesgerichten) keiner Dienstaufsicht unterlägen (so die Begründung für den Vorschlag), stimmte zwar wie aufgezeigt nicht ganz, weil der Präsident des Bundesgerichtshofs zufolge Weitergeltung der Verordnung vom 20 3. 1935 dem Bundesminister der Justiz dienstaufsichtlich unterstellt war. Der Gedanke, daß wenigstens die Präsidenten der oberen Bundesgerichte keiner Dienstaufsicht unterliegen sollten, muß aber für sich allein schon als löbliches Bemühen anerkannt werden, sich jeder Einmischung in die dritte Säule des Staates zu enthalten, die einmal zu einer Einbruchstelle in die Unabhängigkeit der Richter werden könnte. Hinzu kommt, daß die Bundesregierung an diesem Vorhaben auch gegenüber gewissen Einwendungen des Bundesrates festhielt (17), und daß selbst der Bundesrat seinerzeit noch nicht am Prinzip Anstoß nahm, sondern den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts nur insoweit einer Dienstaufsicht unter den Bundesminister des Innern unterstellen wollte, als er zugleich dessen Verwaltungsorgan bei der Verwaltung des Gerichts sei (18). Mit der Hinnahme der Ausführungen von Arndt damals im Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsschutz war also viel an wertvollem Kapital vertan und das Ganze in eine falsche Richtung gelenkt worden.
In der Frage, wem die Dienstaufsicht (besser sollte man nach Vorstehendem Aufsicht sagen) über Richter anzuvertrauen sei, soweit die Einrichtung nicht zu entbehren ist, ist der Gesetzgeber gleichfalls keine neuen Wege gegangen und vor allem keinen Weg, der dem neuen Status des Richters angemessen Rechnung trüge. Denn es ist bei dem sog. „Präsidentenprinzip“ (19) geblieben, d. h. dabei, daß die Dienstaufsicht jeweils einem einzelnen in der Stellung eines Gerichtspräsidenten bei demselben oder dem nächsthöheren Gericht anvertraut ist, statt dem Gerichtsganzen zur Ausübung durch ein Kollegium (Kammer bzw. Senat in der auch sonst bestehenden Besetzung, Kammer bzw. Senat in erweiterter Besetzung, Präsidium, Vereinigte Zivilsenate, Vereinigte Strafsenate, Plenum oder Vollversammlung). Und angesichts der nunmehrigen Ausnahmslosigkeit der Unterstellung aller Richter bis auf die des Bundesverfassungsgerichts unter eine Dienstaufsicht, also eingeschlossen selbst die Präsidenten der obersten Gerichte sowohl im Bund wie in den Ländern, ist es zugleich dazu gekommen, daß überall die Regierung (jeweils vertreten durch ein Mitglied der Regierung: in den Ländern z. T. der Ministerpräsident, im übrigen und im Bund ein anderes Kabinettsmitglied) sog. „oberstes“ (20) Dienstaufsichtsorgan ist. Nur was die Frage anlangt, ob die Aufsicht für die Richter an den Untergerichten ein- oder mehrstufig ist (ob also ein regelrechter Dienstaufsichts“weg“ nach Art eines Instanzenzuges besteht oder nicht), sind von Gerichtszweig zu Gerichtszweig einige Unterschiede zu verzeichnen (21). Und in dem Teilbereich unseres Gerichtswesens, der bisher als einziger keine Gerichtspräsidenten kennt (Wehrdisziplinargerichtsharkeit, 1. Rechtszug), sind die Richter dem Minister, zu dessen Geschäftsbereich sie gehören, gar unmittelbar unterstellt (Richter an den Truppendienstgerichten) (21a). Das vorliegende Gesamtergebnis 18 Jahre nach Inkrafttreten des. Grundgesetzes ist mithin: Die Dienstaufsicht über Richter liegt, weil der zur Ausfüllung des Grundgesetzes (zur Vollziehung der grundgesetzlichen Vorentscheidung) berufene einfache Gesetzgeber es abgelehnt hat, dem Verfassungsgesetzgeber konsequent zu folgen, heute mehr denn je vollständig in der Hand der „zweiten Gewalt“ (Exekutive).
Diejenigen, die das nicht wahrhaben wollen und dem – meist entrüstet – entgegenhalten, die Gerichtspräsidenten und damit jedenfalls die als erste entscheidenden Dienstaufsichtsorgane über Richter seien aber doch selbst Richter, streuen sich und den anderen Sand in die Augen. Natürlich sind auch sie Richter. Das aber nur, wenn sie rechtsprechend tätig sind (als Mitglied einer Kammer oder eines Senats oder als Vorsitzender eines sonstigen Spruchkörpers bzw. als Einzelrichter), also als Rechtsprechungsorgan. In Ausübung der Dienstaufsicht sind sie es nicht. In Ausübung der Dienstaufsicht sind sie allein Organ der – heute allgemein „Gerichtsverwaltung“ (22), in der ordentlichen Gerichtsbarkeit im besonderen freilich nach wie vor „Justizverwaltung“ (23) genannten – Verwaltung des Gerichtswesens, also reines Verwaltungsorgan, Teile eines der Exekutive zugehörigen vielgliedrigen, von den Gerichten auch äußerlich abgesonderten (24) Apparates mit einem Mitglied der Regierung (25) an seiner Spitze und als solche weisungsgebunden. Den an sie ergehenden Weisungen kann keiner von ihnen trotzen, ohne sich selbst der Gefahr von Dienstaufsichtsmaßnahmen auszusetzen, selbst dann nicht, wenn er sie mit seinem richterlichen Gewissen für unvereinbar hält (d. h. in der Maßnahme einen Eingriff in die Unabhängigkeit der ihm „unterstellten“ Richter oder eines der ihm unterstellten Richter und damit anderer Richter als er selbst sieht). Selbst die Ranghöchsten (also die Präsidenten der obersten Gerichte im Bund sowohl wie in den Ländern) müssen sich fügen, da, wie aufgezeigt, heute auch sie einer Dienstaufsicht unterworfen sind, ohne jede Ausnahme der Person, ja selbst die zu Gebote stehenden Aufsichtsmittel nicht einmal ihnen gegenüber Schranken unterworfen sind (26).
Auch die Vorschrift des § 26 Abs. 3 DRiG bedeutet keine nennenswert zu Buche schlagende Abmilderung dieses unbefriedigenden Zustandes. Daß sie Richtern in ihrer Eigenschaft als Organ der Gerichtsverwaltung, also z. B. als Dienstaufsichtsorgan nicht zusteht, wurde bereits gesagt. Die ganze Vorschrift ist aber auch nicht so grundstürzend neu, wie mitunter behauptet wird, daß sie wenigstens für den Richter als solchen als Ausgleich dafür betrachtet werden kann, daß in der Organisation der Dienstaufsicht über Richter alles beim alten geblieben ist, ja sogar die letzten Lücken noch geschlossen wurden. Neu an ihr ist lediglich, daß es nicht mehr auf die Stärke der ergriffenen Dienstaufsichtsmaßnahme (also etwa ob Rüge, formlose Ermahnung oder gar förmliche Mahnung oder vielmehr nur Vorhalt oder gar nur Belehrung) ankommt, sondern jede, auch die leiseste Maßnahme der Dienstaufsicht zur Anrufung des Richterdienstgerichts (früher: der Dienststrafkammer) genügt. Denn eine Anrufung des Gerichts in den Fällen der Erteilung einer Rüge, einer Ermahnung oder gar einer Mahnung kannte bereits das preußische Recht. Sie war dort – zusammen mit der Eröffnung des Dienstaufsichtsbeschwerdeweges auch für gemaßregelte Richter – mit dem Gesetz betreffend Abänderung von Bestimmungen der Disziplinargesetze vom 9. 4. 1879 (GS S. 345) eingeführt worden (27). Andererseits bedeutet es eine Einschränkung gegenüber damals, daß dem gemaßregelten Richter der Weg der Anrufung des Gerichts mit dem Ziele der Aufhebung der ihn beschwerenden Maßnahme heute nur offensteht, wenn die Maßnahme „seine Unabhängigkeit“ beeinträchtigt. Wegen einer die Unabhängigkeit nicht beeinträchtigenden, aber gleichwohl höchst lästigen zu Unrecht verhängten Maßnahme der Dienstaufsicht hat der Richter mithin keinen direkten Zugang zum Dienstgericht. Es fehlt auch die Möglichkeit der Anrufung dieses Gerichts durch eine Richtervertretung (Richterrat, Bezirksrichterrat usw.) oder eine richterliche Berufsorganisation. Auch ist mißlich, daß der Richter, der das Richterdienstgericht nach § 26 Abs. 3 DRiG anruft, das Kostenrisiko der Anrufung genauso wie in sonstigen Fällen der Anrufung trägt. Das kann ihn schon bei einem nur teilweisen (27a) Unterliegen wirtschaftlich hart treffen, da der Streitwert naturgemäß hoch zu sein pflegt, ganz abgesehen davon, daß die Überbürdung des Kostenrisikos von der Verwaltung (Dienstaufsichtsorgan) auf den Richter ohnehin unangemessen ist (27b). Denn einem Richter, der für die Wahrung der richterlichen Unabhängigkeit auf den Plan tritt, sollte die Allgemeinheit und damit der Staat stets dankbar sein, auch dann, wenn seine Befürchtungen unbegründet oder doch nur teilweise begründet waren. Bekanntlich wurde die Unabhängigkeit den Richtern nicht um ihretwillen verliehen, sondern um des Volkes willen zu dessen größtmöglichem Schutz auch in dem Fall, daß der einzelne Staatsbürger vor unrechtmäßigen Maßnahmen der Exekutive bei Gericht Recht suchen muß. Mit einem Prüfungsverfahren nach ~ 26 Abs. 3 DRiG nimmt der Richter also nicht so sehr seine als vielmehr die Interessen des Volkes wahr, in dessen Namen er Recht spricht und das seine Freiheitsrechte nur dann bewahren kann, wenn der Richter wahrhaft unabhängig von den Mächten (und Machtgruppierungen) bleibt, die den Staat regieren, und für seine Person eben wirklich nur dem Gesetz unterworfen ist.
Daß die Politiker sich der Materie des Dienstaufsichtsrechts über Richter weder bei Erlaß der Richtergesetze noch bei der Wiedereinführung eines einheitlichen Gerichtsverfassungsrechts in einer der Vorentscheidung des Grundgesetzes entsprechenden Weise angenommen, sondern alles so gelassen haben, wie es zuletzt gewesen war, kann daher nur verwundern (28). Verfolgt man den Weg zurück, den das Recht der Dienstaufsicht über Richter seit den Tagen gegangen ist, in denen man die Bedeutung des Rechts der Dienstaufsicht für die Wahrung richterlicher Unabhängigkeit zu ermessen sowie zwischen Maßnahmen der Dienstaufsicht und Disziplinarstrafen einigermaßen scharf zu unterscheiden begann (Mitte des vorigen Jahrhunderts im Anschluß an die Ereignisse des Jahres 1848), kann außerdem die Feststellung nicht ausbleiben, daß es genug rechtsgeschichtliche Vorbilder für eine grundsätzlich andere Ordnung des Dienstaufsichtsrechts über Richter sogar aus Deutschland selbst gibt, die man – auf heutige Verhältnisse zugeschnitten – nur hätte zu übernehmen brauchen. Die Gerichtshöfe, deren Richter einer Dienstaufsicht überhaupt nicht unterlagen, zeit ihres Bestehens oder doch viele Jahrzehnte hindurch, wurden bereits erwähnt: Bundesoberhandelsgericht (späteres Reichsoberhandelsgericht), Reichsgericht, Reichsarbeitsgericht, Reichsfinanzhof, Preußisches Oberverwaltungsgericht, Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Sächsisches Oberverwaltungsgericht. In ausschließlich richterlicher Hand zur Ausübung durch ein im Instanzenzug übergeordnetes Gericht (Richterkollegium) hatte die Dienstaufsicht über die Richter in Elsaß-Lothringen gelegen. Die Dienstaufsicht über die Richter im Reichsland Elsaß- Lothringen erhielt nämlich, nachdem es zum Deutschen Reich gekommen war, das Bundesoberhandelsgericht (später Reichsoberhandelsgericht) (29). Das hatte sich so angeboten, denn die Richter im Reichsland Elsaß-Lothringen hatten der Dienstaufsicht des Kassationshofs in Paris unterstanden, also der Dienstaufsicht eines Gerichts (Kollegiums), was damals – wie gleich gezeigt werden wird – auch in Deutschland gang und gäbe war. Man brauchte also nur das Gericht auszuwechseln, d. h. an die Stelle des Kassationshofs in Paris das Bundesoberhandelsgericht zu setzen. An die Stelle des Reichsoberhandelsgerichts trat ab 1. 10. 1879 das Reichsgericht (30). Zuständig waren beim Reichsgericht die Vereinigten Zivilsenate (31). Da die Mitglieder des Reichsgerichts – wie ausgeführt – selber keinerlei Dienstaufsicht unterlagen, kam für die Richter in Elsaß-Lothringen mithin selbst nicht einmal eine mittelbare Aufsicht außergerichtlicher Stellen wie etwa der Reichsregierung oder des Staatssekretärs im Reichsjustizamt oder des Bundesrates in Betracht. Dasselbe Aufsichtsprinzip für die Aufsicht über Richter kannten – wie gesagt – auch nicht wenige der damaligen deutschen Bundesstaaten, die einen auf sämtlichen Gebieten der Dienstaufsicht über Richter die anderen für wichtige Teilbereiche (Aufsichtsbeschwerden über Richter). Das letztere galt z. B. in Preußen in den meisten Landesteilen dieser Monarchie (32), und zwar für die Richter an den Untergerichten. In den sog. altländischen Landesteilen war es durch § 17 Nr. 5 des Geschäfts-Regulativs für die Appel|lationsgerichte vom 17. 9. 1850 (JMBI S. 323) eingeführt worden. Zuständig waren die Appellationsgerichte, und zwar deren Plenum (33). Im Bewußtsein der Richter dieser Landesteile war diese Art der Regelung der Dienstaufsicht über Richter bald so fest eingewurzelt, daß ihnen später der Gedanke einer Übertragung der Dienstaufsicht über Richter auf weisungsgebundene Organe „ganz unfaßbar“ schien (34). Der Preußische Minister der Justiz (das war der Unterschied zur Regelung im Reich für Elsaß-Lothringen) nahm allerdings – ein für heute unvorstellbarer Gedanke! – bis zuletzt das Recht zur Korrektur ihm nicht zusagender Plenarentscheidungen der Appellationsgerichte in Anspruch (35). Das dürfte übrigens auch in den meisten anderen der damaligen Bundesländer nicht anders gewesen sein und war gleichsam ein den Ministern des Monarchen wie dem Monarchen selbst verbliebener Rest von dessen einstiger Eigenschaft als ,,höchstem Landesherrn und oberstem Richter“ (§ 9 III 1 PreußAllgemeine Gerichtsordunung vom 6. 7. 1793). Obwohl Preußen und die Mehrzahl der übrigen damaligen Bundesstaaten das Aufsichtsrecht der oberen Gerichte zum 1. 10. 1879 wieder abschafften (36), Preußen wegen angeblicher Ungeeignetheit nicht nur mancher, sondern aller Justizverwaltungsangelegenheiten, insbesondere auch der Dienstaufsichtsangelegenheiten, zu „kollegialischer“ Bearbeitung (37), hielten mehrere Bundesstaaten – keineswegs nur unbedeutende – weiterhin daran fest: Sachsen, Württemberg, Oldenburg, Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz und Baden (38). Aber auch Bayern ist in diesem Zusammenhang mitzunennen, weil es das „Präsidentenprinzip“ mit dem „Gerichtskollegienprinzip“ in eigentümlicher Weise mischte. Im einzelnen sah es so aus: Sachsen verlagerte die Aufsicht vom Oberappellationsgericht und den Appellationsgerichten auf sein Oberlandesgericht (39). In Württemberg war nach der neuen Gerichtsverfassung für die Mitglieder der Landgerichte das Plenum des Oberlandesgerichts zuständig (40) und für die Mitglieder der Amtsgerichte das Plenum des übergeordneten Landgerichts (41). Über alle Gerichte einschließlich des Oberlandesgerichts hatte das Justizministerium die Dienstaufsicht. In Oldenburg war die Dienstaufsicht über die Mitglieder sowohl der Land- wie der Amtsgerichte dem Plenum des Oberlandesgerichts übertragen (42). Das Staatsministerium und die Fürstlich Lippische Regierung bildeten die oberste vorgesetzte Behörde (43). In Baden war die unmittelbare Dienstaufsicht über die Amtsrichter in die Hände der Landgerichte gelegt (44), desgleichen in beiden Mecklenburg, hier in der Weise, daß das Präsidium des Landgerichts das zuständige Aufsichtsorgan war (45). Die „allgemeine Oberaufsicht über die Ausübung der Rechtspflege“ hatte das Justizministerium (Baden, Mecklenburg-Schwerin) bzw. die Landesregierung (Mecklenburg-Strelitz). Ihnen oblag zugleich auch die unmittelbare Dienstaufsicht über das Oberlandesgericht sowie in Baden über die Landgerichte. In Bayern waren zwar wie in Preußen die Gerichtspräsidenten zu Dienstaufsichtsorganen über die Richter am eigenen und an den nachgeordneten Gerichten bestellt worden (Landgerichtspräsidenten, Oberlandesgerichtspräsidenten, Oberstlandesgerichtspräsident); doch hatten sie in allen eines der nachgeordneten Gerichte betreffenden Aufsichtsangelegenheiten und in allen wichtigeren Sachen auch bei nur das eigene Gericht betreffenden Aufsichtsangelegenheiten den Beschluß des Präsidiums zu erwirken! (46).
Der Rechtszustand, daß die Dienstaufsicht über Richter ganz oder weitgehend in der Hand der Gerichte selber lag (in der Hand von Gerichtskollegien zu kollegialischer Entscheidung), hat in den genannten Ländern des Deutschen Reiches bis 1935 bestanden. Auch ihm setzte erst die Verordnung vom 20. 3. 1935 nach Verreichlichung der Justiz ein Ende (was die Beteiligung der Präsidien anlangt – Mecklenburg-Schwerin, Medklenburg-Strelitz und Bayern – sogar erst das Gesetz über die Geschäftsverteilung bei den Gerichten vom 24. 11. 1937 – RGBI I S. 1286 -, s. dort § 6 Abs. 2 Halbs. 2). Man darf darum wohl sagen, daß es gerade auch deshalb für unsere Politiker besonders nahegelegen hätte, darüber nachzudenken, ob dem Auftrag des Grundgesetzes, die Rechtsverhältnisse der Richter in einer zu deren neuem Status passenden Gestalt in besonderen Gesetzen zu regeln, in Ansehung der Frage der Aufsicht über Richter nicht überhaupt nur in einer Weise entsprochen werden konnte, die diese Aufsicht, soweit eine solche nicht entbehrt werden kann, ausschließlich in die Hände der Gerichte selber legte. Denn jede echte Aufsichtsfunktion begründet ein Abhängigkeitsverhältnis (47). Solange die Dienstaufsicht über Richter nicht genauso wie die Verteilung der richterlichen Geschäfte Selbstverwaltungsangelegenheit der Gerichte ist (des eigenen oder des nächsthöheren Gerichts), wird es daher Mittel und Wege der Beeinflussung der Rechtsprechung im Wege der Dienstaufsicht von der Exekutive aus geben. Beschreiten wird sie diese Wege zwar nicht in ruhigen Zeiten, wohl aber in Krisen, wenn zur Wahrung der Staatsraison jedes Mittel recht zu sein scheint. Die Gerichtspräsidenten – insoweit selber abhängige Beamte – sind dann möglicherweise der Arm der Exekutive. Es darf dem Richter eben schon nicht zugemutet werden, daß über die Frage, ob er sich so oder so zu verhalten hat, widrigenfalls er eine Pflichtverletzung begeht, oder über die Frage, ob er eine solche begangen hat, auch nur zunächst einmal eine Stelle entscheidet, die insoweit ganz und gar weisungsgebunden ist. Denn damit ist ihm der „Schwarze Peter“ zugeschoben. Liegt die Entscheidung alsbald in Händen der Richterschaft selbst, bedarf es außerdem keines Rechtsweges von Verwaltungsorgan zu Gericht. In Betracht kommt dann allenfalls noch ein Instanzenzug zum nächsthöheren Gericht.
Das Prinzip der Aufsichtsführung durch richterliche Gremien (Kollegien) kann endlich auch nicht damit abgetan werden, daß Aufsichtssachen zu kollegialischer Bearbeitung ungeeignet seien, wie in der amtlichen Begründung zum Preußischen Ausführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz zu lesen steht. Denn träfe das wirklich zu, hätten gewiß nicht andere Länder so lange daran festgehalten wie oben beschrieben. Da bei den meisten heutigen Obergerichten das Plenum ein etwas zu großes Gremium wäre, sobald alle Richter des Gerichts von ihrem Teilnahmerecht Gebrauch machen, andererseits eine möglichst große Zahl der Mitwirkenden mehr Gewähr dafür bietet, daß allgemeingültige Auffassungen den Spruch bestimmen, als eine nur kleine Zahl, würde sich am ehesten für heute wohl die Bildung eines Großen Dienstaufsichtssenates bestehend vielleicht aus 15 Mitgliedern – anbieten. Der damit verbundene Aufwand wäre gewiß nicht zu groß, gemessen an dem, was unter Umständen auf dem Spiel steht. Vorgeschaltet werden könnte ein kleineres richterliches Gremium (Senat in einfacher Besetzung, beim Landgericht pp. Kammer), ohne dessen Votum der Fall überhaupt nicht an den Großen Dienstaufsichtssenat gelangt. Ein weiterer Vorteil des Ganzen wäre, daß auf die Weise die Gerichtspräsidenten aus ihrer etwas schiefen Stellung befreit würden, in die sie nun einmal dadurch geraten sind, daß sie nur als Richter – das heißt im Spruchkollegium eines Senates oder einer Kammer – nichts weiter als primi inter pares sind (48), im übrigen dagegen, d. h. überall sonst, wo ihnen diese „pares“ gegenübertreten, als mit der Dienstaufsicht über sie beauftragter Verwaltungsbeamter ihr Vorgesetzter. Welche Verwaltungsaufgaben ohne Schaden für die Rechtsstellung der Richter in der Hand des Gerichtspräsidenten bleiben könnten, ja vernünftigerweise sogar müßten, ist hier nicht zu untersuchen. Es dürfte aber noch genug sein zusammen mit der Wahrnehmung der vornehmsten Aufgabe: der Rechtsprechung (49).
1. Vgl. Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages vom 9.6.1961 zum Entwurf eines Deutschen Richtergesetzes S. 13 der Drucksache 2785 unter „zu § 22 Abs. 1“, 4. und 5. Satz der Begründung.
2. Vgl. RG IIl StrS 29.11.1923 RGSt 57/420 (421); Simons im Hwb. d. Rechtsw. Bd. 5 (1928) S. 1 ff. Stichwort „Reichsgericht“; Lobe, 50 Jahre Reichsgericht (1929) S. 32 unter F, S. 33 unter 11 a) I.1. und 2; Mende, Hdb. DStR Bd. Il (1932) § 67 V S. 85; Gülland, Die Dienstaufsicht über Richter und die Unabhängigkeit der Gerichte, 1. Aufl. (1932) S. 16 Rz. 32, Baur, Justizaufsicht und Unabhängigkeit (1954) S. 58, 61.
3. Sog. Gerichtsverfassungsverordnung, RGBl. 1935 I S. 403.
4. vgl. Mende, aaO; Baur, aaO S. 59 Fußn. 168 a. E. und S. 61.
5. vgl. auch § 7 Abs. 2. – Führer-Erlaß vom 3. 4. 1941 = RGBI I S. 201: Erste DV = RGBl I S. 224.
6. vgl. Mende, aaO; Baur, aaO – Anm. 2 – S. 62.
7. vgl. Baur, aaO – Anm. 2 – S. 62.
8. vgl. Baur, aaO – Anm. 2 – S. 61.
9. vgl. Baur, aaO – Anm. 2 – S. 61/62.
10. Ausschußbericht vom 29.5.1952 zum Entwurf eines Gesetzes über das Bundesverwaltungsgericht unter „Zu § 6 (Dienstaufsicht)“, Drucksache 3420 S. 4 = Anlage 1 zum Sitzungsbericht vom 18.7.1952 S. 10219.
10a. Nach dem BayG vom 8. 8. 1878 und dem SächsG vom 19. 7. 1900, s. Mende, aaO – Über das Schicksal dieser weiteren Verwaltungsgerichtshöfe im Deutschen Reich hatte nach § 2 Abs. 2 des obenerwähnten Führer-Erlasses der Reichsminister des Inneren zu befinden.
11. Vgl. Baur, aaO – Anm. 2 – S. 62 mit Anmerkungen.
12. Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages vom 9.6.1961 S. 13 der Drucksache 2785, Sätze 2 und 3.
13. So noch Leibholz im Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart, Neue Folge Band 6 (1957) S. 116 (Einleitung der unter der Überschrift „Der Status des Bundesverfassungsgerichts“ von ihm veröffentlichten Zusammenstellung von Gutachten, Stellungnahmen und Denkschriften zur Statusfrage). – Vgl. auch ebd. S. 211 f. (Wintrich).
14. So ausdrücklich und unmißverständlich das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom 24.1.1961 über die Verfassungsbeschwerde 2 BvR 74/60 gegen das Landesbesoldungsgesetz für Baden-Württemberg, BVerfGE 12/81 ff., also in einer Entscheidung, die sogar bereits vor Abfassung des Schriftlichen Berichts des Rechtsausschusses erging. Auf S. 98 heißt es: „Der Landtag von Baden-Württemberg hat diesen besonderen Status des Richters nicht beachtet. Man ging mit Selbstverständlichkeit davon aus, daß zwischen dem D i e n s t verhältnis eines Beamten und dem A m t s verhältnis des Richters kein Unterschied bestehe, …“ (Sperrungen von dem Verfasser). Vgl. auch S. 87 („hergebrachte Grundsätze des richterlichen A m t s rechts“) und S. 88 („das A m t srecht der Richter“). Daraus, daß diese Erkenntnis in die Gesetzessprache selbst bis heute nicht Eingang gefunden hat, allen weiteren diesbezüglichen Hinweisen – insbesondere auch seitens des Deutschen Richterbundes – zum Trotz, kann wohl nur geschlossen werden, das die Parlamente und die Regierungen (also 1. und 2. Gewalt) sich einfach weigern, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Kenntnis zu nehmen (also ein paralleler Vorgang zu dem, auf den Süsterhenn in der 110. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 12. 5. 1967 – DRiZ 1967, 240 bei Verabschiedung des 1. BesNG mit den Worten aufmerksam gemacht hat „weite Kreise der Juristen – nicht nur der Richter… – haben den Eindruck gewonnen, daß man sich gerade sowohl bei den Innenministerien der Länder als auch beim Bundesinnenministerium über die vom Grundgesetzgeber gewollte und in unser Grundgesetz hineingeschriebene verfassungsrechtliche Sonderstellung des Richters einfach nicht im klaren ist oder das, was das Grundgesetz entschieden hat, einfach nicht zur Kenntnis nehmen will“). – Der Ausdruck „Amtsverhältnis“ für das Richterverhältnis ist übrigens gar nicht so neu, wie es scheinen mag. Es findet sich beispielsweise bereits in einem Gesetz vom 17. 5. 1879, dem bremischen Ausführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz (GBl s. 107), dort in Titel Il Abschnitt III als Abschnittsüberschrift („Die Amtsverhältnisse der Richter“)! Er ist, wie der Ausdruck „Amtsgehalt“ zur Bezeichnung für „die Bezüge solcher Amtsträger…, die nicht Beamte sind“ (Statusdenkschrift des Bundesverfassungsgerichts aaO s. 146), geworden ist, zur Bezeichnung für alle persönlichen Rechtsverhältnisse der Träger öffentlicher Gewalt geworden, die man nicht zu den Beamten zählt. Die Reichsminister machten den Anfang (mit dem Reichsministergesetz vom 27. 3. 1930 – RGBI I S. 96 -, das der Reichstag im Hinblick darauf erließ, daß die Rechtsstellung der Reichsminister sich mit der Ablösung der Reichsverfassung von 1871 durch die Weimarer Reichsverfassung grundsätzlich geändert hatte). Die Richter sind gefolgt, weil das Grundgesetz ihren Status grundsätzlich verändert hat. – Eine Delikatesse besonderer Art hat das hessische Beamtenbesoldungsrecht zu bieten. Es nennt seit Ende 1953 das Beamtenverhältnis der kommunalen. Wahlbeamten (Landräte, Oberbürgermeister usw.) wie das Rechtsverhältnis, in dem Minister zum Staat stehen, ein „Amtsverhältnis“ (und die Bezüge dieser Beamten „Amtsbezüge'“statt „Dienstbezüge“, s. § 1 Abs. 1 HessG über die Bezüge der Wahlbeamten der Gemeinden und Landkreise vom 29.10.1953 – GVBI S. 172)! Den Richtern aber verweigert auch Hessen „Amtsbezüge“ und den Ausdruck „Amtsverhältnis“ für das Richterverhältnis.
15. S. „Der Status des Bundesverfassungsgerichts“ aaO S. 132 f., 145, 176 ff., 204 und 212. – Dieser 1954 erfolgreich bestandene Kampf fand im Deutschen Richtergesetz in § 69 seinen Niederschlag, wie die Ausführungen von Schmidt-Räntsch, Rz. 9 zu § 26 erkennen lassen. Die Bemerkung Rz. 3 zu § 69 S. 436 ist als dazu in offenem Widerspruch stehend schwer begreiflich („…; die Richter des Bundesverfassungsgerichts unterliegen (!) zwar wie jeder Angehörige des öffentlichen Dienstes einer Dienstaufsicht; das Gericht gehört jedoch nicht zum Geschäftsbereich eines Bundesministers“).
16. BT-Drucksache 1544 S. 26.
17. Vgl. ebd. S. 41 unter 111.
18. Vgl. ebd. S. 35.
19. Baur, aaO – Anm. 2 – S. 14.
20. Dieser Ausdruck findet sich heute z. B. in § 1 Halbs. 1 der Anordnung der Hessischen Landesregierung vom 28. 9. 1967 (GVBI I S. 182) betr. die Ausübung der Dienstaufsicht in der Verwaltungsgerichtsbarkeit sowie in § 1 Halbs. 1 der Anordnung der Hessischen Landesregierung vom 28. 9. 1967 (GVBI I S. 183) betr. die Ausübung der Dienstaufsicht in der Finanzgerichtsbarkeit. – Im vorigen Jahrhundert wurde mitunter zwischen „Ober“aufsicht und „Aufsicht“ (oder „unmittelbarer“ Aufsicht) unterschieden (vgl. die Ausführungsgesetze der damaligen Bundesstaaten zum Deutschen Gerichtsverfassungsgesetz vom 27. 1. 1877, abgedruckt im 1. Jahrgang des Jahrbuchs der Deutschen Gerichtsverfassung von Carl Pfafferoth, 1880).
21. Näheres bei Baur, aaO – Anm. 2 – S. 64 Fußn. 189.
21a. § 26 Abs. 1 DRiG i. Vbdg. m. § 51 Abs. 2 WehrDiszO vom 15. 3. 1957/ 9. 6. 1961 (BGBI I S. 189 bzw. S. 697). – Voraussichtlich werden sich demnächst auch hier Gerichtspräsidenten dazwischenschieben. Denn das sieht der am 28. 8. 1967 eingebrachte Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung der WehrDiszO vor, s. Art. I Nr. 13 (§ 53 Abs. 1 n. F.), Nr. 14 (§ 53 c), BT-Drucks. V/2073. Im Vergleich zur unmittelbaren Unterstellung unter den Minister ist das zwar ein Fortschritt (als welcher er in der Begründung auch gepriesen wird). Der Sache nach bedeutet es eine neue Huldigung an das Präsidentenprinzip für die Dienstaufsicht über Richter und ist es somit der Ausdruck dafür, daß man die gegen dieses Prinzip bestehenden Bedenken nicht sieht oder in den Wind schlägt.
22. § 4 Abs. 2 Nr. 1 DRiG.
23. Vgl. z. B. § 77 Satz 1 PrAGGVG: „Die Vorstände der Gerichte… sind nach näherer Bestimmung des Justizministers die Organe desselben bei den Geschäften der Justizverwaltung.“
24. Wie schon der Behördenname (s. die Briefköpfe) zeigt: „Der Oberlandesgerichtspräsident“, „Der Landgerichtspräsident“ usw. (statt „Oberlandesgericht“, „Landgericht“ usw. bzw. „Das Oberlandesgericht“ usw.).
25. Im vorigen Jahrhundert mitunter auch der ganzen Regierung (kleinere Länder und Stadtstaaten, s. die Ausführungsgesetze der damaligen Bundesstaaten, in der Fußn. 20 a. E. genannten vollständigen Sammlung.
26. Daß wenigstens die Aufsichtsmittel gewissen Schranken unterworfen waren, hat es z. B. in Preußen gegeben, viele Jahrzehnte hindurch: Dem schärfsten – mit § 13 des Gesetzes betr. Dienstvergehen der Richter usw. vom 7. s. 1851 (GS S. 218) eingeführten und noch keine Strafe darstellenden – Dienstaufsichtsmittel der (förmlichen) „Mahnung“ – das es bis 1932 gab – waren die Oberlandesgerichtspräsidenten nicht unterworfen (§ 14 Abs. 1 des Änderungsgesetzes vom 9. 4. 1879- GS S. 343 -). Sie genossen damit dieselbe privilegierte Stellung wie zunächst (1851-1879) einzig und allein der Präsident des Obertribunals (vgl. Thilo, Die Preußische Disziplinargesetzgebung, 1864, S. 19 in der Anm. zu § 13 des Gesetzes vom 7. 5. 1851). Den Oberlandesgerichtspräsidenten standen der Präsident des Oberlandeskulturamts (wie das „Revisionskollegium für Landeskultursachen“ später hieß) sowie der Präsident der Oberrechnungskammer, der Präsident des Königlichen Gerichtshofes für kirchliche Angelegenheiten und der Generalauditeur der Armee gleich.
27. Vgl. die §§ 23 Abs. 2 Satz 1, 24 dieses Gesetzes, auch § 85 PrAGGVG in Verbindung mit § 23 Abs. 4 des Gesetzes vom 9. 4. 1879.
27a. Beispiel: DRiZ 1966, 91 (HessDienstGfRi 1. 10. 1965 – I X 1/65 -).
27b. S. DRiZ 1967, 306 (RiDG Düsseldorf 20. 2. 1967 – DG 1/67 -) und dazu Rasehorn DRiZ 1967, 388.
28. Wie anders im vorigen Jahrhundert! Dem ersten Vereinigten Preußischen Landtag war eine der Unabhängigkeit des Richters besser Rechnung tragende Ordnung des Rechtsverhältnisses der Richter eines der wichtigsten Anliegen gewesen (vgl. Baur, aaO – Anm. 2 – S. 10).
29. § 1 des Gesetzes vom 14.6.1871 betr. die Bestellung des Bundesoberhandelsgerichts zum obersten Gerichtshof für Elsaß-Lothringen (RGBI S. 315).
30. Gesetz vom 16. 6. 1879 betr. den Übergang von Geschäften auf das Reichsgericht (RGBI S. 157).
31. § 2 Abs. I der Geschäftsordung des Reichsgerichts vom 8. 4. 1880 (Centralblatt des Deutschen Reiches S. 190).
32. S. die Übersicht in der Einzelbegründung zu § 72 des Regierungsentwurfs zum PrAGGVG (S. 80 der Sammlung „Die gesamten Materialien des Preußischen Ausführungsgesetzes zu dem Deutschen Gerichtsverfassungsgesetz.“ 1878).
33. Das Plenum der Appellationsgerichte war damals außerdem für alle Personalangelegenheiten zuständig, s. § 17 Nr. 1 Buchst. c) des Geschäftsregulativs! Dies übrigens auch in etlichen anderen der damaligen deutschen Staaten (s. Abg. Gaupp in der 139. Kommissionssitzung des Deutschen Reichstags vom 22. 5. 1876 bei Hahn, Materialien zum Gerichtsverfassungsgesetz S. 819).
34. so Abg. Klotz in der 139. Kommissionssitzung des Deutschen Reichstages vom 22 5. 1876 (Hahn, aaO S. 823). Der äußere Anlaß zu dieser Bemerkung war gewesen, daß die verbündeten Regierungen hatten erklären lassen, sie möchten sich die Möglichkeit offenhalten, die Dienstaufsicht über Richter u. U. auch Staatsanwälten zu übertragen (was es damals vereinzelt gab, für die Zukunft aber durch § 151 Satz 2 GVG vereitelt wurde).
35. s. die Fußn. 32 zitierte Stelle aus den Materialien zum PrAGGVG.
36. s. für Preußen wieder die Fußn. 32 zitierte Stelle aus den Materialien zum PrAGGVG, auch schon S. 64 ebd.; im übrigen s. Löwe-Rosenberg, Kommentar zur Strafprozeßordnung nebst dem Gerichtsverfassungsgesetz, letztmalig in der 18. Aufl. von 1929, § 2 EGGVG Anm. 3.
37. s. auch insoweit die Fußn. 32 zitierte Stelle aus den Materialien zum PrAGGVG. – Gülland behauptet gar „Mißstände“ (s. 22 Rz. 50 aaO).
38. s. Löwe-Rosenberg, aaO; namentlich bei ihm genannt Sachsen, Württemberg und Baden.
39. SächsAGGVG vom 1. 3. 1879 (GVBI s. 59) 5 9. Eine dem Oberlandesgericht übergeordnete Aufsichtsinstanz scheint es dort nicht gegeben zu haben, wie der übrige Inhalt des Ausführungsgesetzes vermuten läßt. Sollte dies zutreffen, wären auch die Richter des Oberlandesgerichts Dresden keiner Dienstaufsicht unterworfen gewesen, also oben mitzuzählen.
40. württAGGVG vom 24. 1. 1879 (RegBI S. 3) Art. 23 Satz 1 mit Art. 16 Abs. 1.
41. Art. 23 Satz 1 mit Art. 9 Abs. 1 aaO.
42. Art. 2 § 2 Buchst. a) der Verordnung vom 13. 4 1879 mit Art. 32 § 1 OldEGGVG vom 10. 4. 1879 (GBl. S. 330)
43. Verordnung vom 10. 4. 1879 Art. 2 § 2 Buchst. b). Ob auch für diejenigen Angelegenheiten der Justizverwaltung, die durch das Einführungsgesetz dem Plenum übertragen worden waren, läßt sich dem Gesetzestext nichr entnehmen.
44. BadAGGVG vom 3. 3. 1879 (GVBI S. 91) § 18.
45. MecklSchwAVGVG vom 17. 5. 1879 (RegBI S. 131) § 70 Satz 2; MecklStrAGGVG vom 17. 5. 1879 (Offizieller Anzeiger S. 167) § 64 Satz 2.
46. BayAGGVG vom 22. 2. 1879 (GVBI S. 273) Arr 69 Abs. 2.
47. Triepel, Reichsaufsicht (1917) S. 110, 148 und ihm beipflichtend Gülland, aaO S. 22 Rz. 49.
48. Oder wie sich der berühmte Eduard Lasker im Preußischen Abgeordnetenhaus einst ausgedrückt hat, als er davor warnte, zwischen Gerichtspräsidenten (Gerichtsvorständen) und übrigen Richtern einen „qualitativen“ Unterschied herzustellen: „der Erste unter seinen Genossen“ (17. Plenarsitzung vom 20. 11. 1877, Die gesamten Materialien zum PrAGGVG S. 107).
49. Hierauf machte übrigens schon von Amsberg (Direktor im Reichskanzleramt) bei den Beratungen zum Entwurf eines Deutschen Gerichtsverfassungsgesetzes mit den Worten aufmerksam: Die Gerichtspräsidenten seien, „bereits mit einer Masse von Verwaltungsgeschäften belastet“, übertrage man ihnen „auch noch die Dienstaufsicht über die Richter“ (was Preußen und die Mehrzahl der übrigen Bundesstaaten dann machten), würden sie der Rechtsprechung völlig entzogen (116. Kommissionssitzung vom 19. 1. 1876, Hahn, aaO S. 642). – Siehe auch die Glosse von Arndt, DRiZ 1966, 373.
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Siehe hierzu auch: Die Entfesselung der dritten Gewalt