Gewaltenteilung außerhalb Deutschlands

Europäische Grundsatzerklärung zur Staatsanwaltschaft

MAGISTRATS EUROPEENS POUR LA DEMOCRATIE ET LES LIBERTES

Dokumente zeigen, wie wir uns eine Justiz vorstellen, die den Menschenrechten und dem Rechtsstaat verpflichtet und stark und selbstbewußt genug ist, um den Verlockungen und Drohungen der politischen Macht zu widerstehen.

EUROPÄISCHE GRUNDSATZERKLÄRUNG ZUR STAATSANWALTSCHAFT

I. Aufgabe

Die Staatsanwaltschaft hat die Aufgabe, das Recht zu verwirklichen und die Beachtung der Gesetzmäßigkeit, der Grundrechte und der Gleichheit vor dem Gesetz zu gewährleisten.

II. Institutionelle Stellung

Die Staatsanwaltschaft ist ein Organ der Justiz, folglich unabhängig gegenüber der Exekutive; denn die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft ist eine unabdingbare Voraussetzung für die Unabhängigkeit der Justiz und die Gleichheit aller vor dem Gesetz. Hieraus folgt, daß allgemeine oder besondere Weisungen der Exekutive unzulässig sind. Allenfalls kann die Staatsanwaltschaft zu allgemeinen Informationen über ihre Tätigkeit verpflichtet werden.

III. Funktionaler Status

Die Staatsanwaltschaft ist nur dem Recht und dem Gesetz unterworfen; ihre Tätigkeit richtet sich nur nach den Kriterien der Gesetzmäßigkeit, der Unparteilichkeit und der Objektivität. Daher gilt für die Strafverfolgung grundsätzlich das Legalitätsprinzip. Das Opportunitätsprinzip darf nur für Bagatellkriminalität gelten. Die Voraussetzungen sind durch Gesetz festzulegen. Ihre Einhaltung unterliegt richterlicher Kontrolle.

IV. Persönlicher Status

Die Staatsanwälte sind Repräsentanten der Rechtspflege, eingegliedert in die Struktur eines einheitlichen Justizorgans oder in eine selbständige Staatsanwaltschaft mit Statuten, Rechten und Garantien, die denen der Richter gleichwertig sein müssen.

V. Interne Organisation

Geschäftsverteilung, Devolution und Substitution sind nach objektiven und im Voraus festgelegten Kriterien zu regeln.

Die Notwendigkeit, staaatsanwaltliche Tätigkeit zu koordinieren, darf die Pflicht, die Befolgung rechtswidriger Anordnungen zu verweigern, sowie die Geltendmachung von Gewissensvorbehalten und die uneingeschränkte Handlungsfähigkeit in der Hauptverhandlung nicht behindern.

VI. Ernennung, Aufsicht und Disziplin

Die Ernennung der Staatsanwälte sowie die Dienstaufsicht und die Disziplinargewalt über die Staatsanwaltschaft werden von einem Obersten Rat wahrgenommen (im Falle eines einheitlichen Justizorgans gemeinsam mit den Richtern, anderenfalls einem autonomen Rat der Staatsanwaltschaft), in dem die Staatsanwälte durch von ihnen gewählte Kollegen vertreten sind.

(1) beschlossen auf der Konferenz der MEDEL in Neapel am 02.03.199
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Aus: Betrifft JUSTIZ Nr. 47 – September 1996, Seite 345 f.

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