Anlage zum stenographischen Bericht der 9. Sitzung des Parlamentarischen Rates am 6. Mai 1949

Aus dem Text:

„…. Durch die in dem Abschnitt „Die Rechtsprechung“ getroffene Regelung wird der Gedanke herausgestellt, daß die rechtsprechende Gewalt neben Legislative und Exekutive die dritte staatliche Funktion ausübt und im System der Gewaltenteilung den dritten Machtträger darstellt. …“

 

Anlage

zum stenographischen Bericht der
9. Sitzung des Parlamentarischen Rates
am 6. Mai 1949
Parlamentarischer Rat

 

Zusammenstellung der Schriftlichen Berichte für das Plenum

 

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Schriftlicher Bericht

des Abgeordneten Zinn

über den Abschnitt

IX. Die Rechtsprechung

 

Durch die in dem Abschnitt „Die Rechtsprechung“ getroffene Regelung wird der Gedanke herausgestellt, daß die rechtsprechende Gewalt neben Legislative und Exekutive die dritte staatliche Funktion ausübt und im System der Gewaltenteilung den dritten Machtträger darstellt. Der herausragende Repräsentant dieser dritten Gewalt hinwiederum soll die oberste Gerichtsbarkeit sein; diese Zweckbestimmung muß in ihrem organisatorischen Aufbau klar und eindeutig zum Ausdruck kommen.

Das vorerwähnte Grundprinzip bedeutet insbesondere

1. die Notwendigkeit des Vorhandenseins oder der Schaffung besonderer Organe für die vorgenannte Seite der Staatstätigkeit;

2. die Verankerung des Gedankens der Einheit und Einheitlichkeit aller Rechtspflege;

3. zugleich aber Berücksichtigung der Tatsache, daß bestimmte Sparten der Rechtspflege so sehr eine durch die Sache bedingte Eigenart und einen so ausgesprochenen eigenen Akzent auf weisen, daß dem auch institutionell Rechnung zu tragen ist;

4. in formell-organisatorischer Beziehung in einem über die Weimarer Regelung hinausgehenden Umfang Erhebung der Gerichtsverfassung in die eigentliche Verfassungsrechtssphäre, wobei auch die sich aus der Notwendigkeit eines durchgängig demokratischen Staatsaufbaus ergebenden Erfordernisse entsprechend zu berücksichtigen sind.

Der zu 1 genannte Gesichtspunkt hat seinen Ausdruck gefunden in der Bestimmung des Artikels 92, der seine jetzige Fassung in der dritten Lesung des Hauptausschusses erhalten hat. Bemerkenswert erscheint die auf Vorschlag des Redaktionsausschusses erfolgte Vorschaltung eines besonderen Satzes, der besagt, daß die rechtsprechende Gewalt den Richtern „anvertraut“ ist.

(Folgerichtig ist denn auch anstelle der ursprünglich vorgesehenen Bezeichnung „Gerichtsbarkeit und Rechtspflege“ die Überschrift „Die Rechtsprechung“ gewählt worden.) Entgegen der Anregung des Herrenchiemseer Entwurfes wird dem Bundesverfassungsgericht kein besonderer Abschnitt gewidmet. Es ist vielmehr in den Abschnitt „Die Rechtsprechung“ miteinbezogen worden. Bei der Aufzählung der verschiedenen mit Rechtsprechungsfunktionen betrauten Arten von Gerichten in Art. 92 wird das Bundesverfassungsgericht, einem Vorschlag des Ausschusses entsprechend, als erstes genannt. Dementsprechend enthalten die unmittelbar folgenden Artikel zunächst die näheren grundsätzlichen Vorschriften über das Bundesverfassungsgericht. Dadurch, daß die Gerichte der Länder im Artikel 92 hervorgehoben werden, soll zum Ausdruck gebracht, bzw. klargestellt werden, daß die Justizhoheit, wie auch nach dem das Grundgesetz allgemein beherrschenden Grundsatz die Erfüllung der sonstigen staatlichen Aufgaben, in erster Linie Angelegenheit der Länder ist. Deshalb kann der Bund nachgeordnete Gerichte nur auf den Gebieten einrichten für die eine derartige Möglichkeit im Grundgesetz besonders vorgesehen ist, so zum Beispiel nach Art. 96 Abs. 3 für Dienststrafverfahren gegen Bundesbeamte und Bundesrichter.

Zu 2). Der Gedanke der Wahrung der Rechtseinheit, sowohl unter fachlichem wie auch territorialem Gesichtspunkt, kommt vor allem in den Artikeln 95 Absatz 1 und 2 und 96 Abs. 1 zum Ausdruck. Gemäß Artikel 95 Absatz 1 wird ein Oberstes Bundesgericht zur Wahrung der Einheit des Bundesrechts errichtet. Es entscheidet in Fällen, deren Entscheidung für die Einheitlichkeit der Rechtsprechung der oberen Bundesgerichte von grundsätzlicher Bedeutung ist. Damit ist die Aufgabe des Obersten Bundesgerichts in zwar allgemeiner, aber doch genügend präzisierter Form umrissen. Indem der Art. 96 Abs. 1 vorsieht, daß für das Gebiet der ordentlichen, der Verwaltungs-, der Finanz-, der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit obere Bundesgerichte zu errichten sind, die übrigens unter Umständen auch miteinander verbunden werden können, gewährleistet er, daß das Bundesrecht in den verschiedenen Ländern hinsichtlich grundlegender Rechtsfragen und Rechtsbegriffe gleichmäßig gehandhabt wird. Durch die Vorschrift über die Errichtung des Obersten Bundesgerichts ist außerdem die fachliche Gleichmäßigkeit der Rechtsanwendung gewährleistet, indem dafür gesorgt wird, daß die grundlegenden Rechtsbegriffe, auf den verschiedenen Rechtsgebieten, ebenfalls gleichmäßig angewandt werden. Es findet also in der obersten Spitze der Rechtsprechung beispielsweise keine grundsätzliche Aufspaltung mehr statt nach den Sachgebieten des öffentlichen und privaten Rechts. Diese Regelung erscheint besonders zweckmäßig für die weiten, im Laufe der letzten Jahrzehnte zu besonderer Bedeutung gelangten Rechtsgebiete, die, an alten Differenzierungsmaßstäben gemessen, weder ausschließlich dem einen noch dem anderen Sektor zugerechnet werden können, sondern aus der Natur der Sache heraus, einen gar nicht entwirrbaren Mischcharakter tragen.

In organisatorischer Beziehung trifft das Grundgesetz selbst, abgesehen von der Bestimmung in Art. 95 über die Berufung der Richter des Obersten Bundesgerichts durch einen Richterwahlausschuß und der entsprechenden Vorschrift des Artikels 96 Abs. 2 für die Richter der oberen Bundesgerichte, ebensowenig eine Regelung, wie über das Verfahren. Vielmehr sollen, gemäß Art. 95 Abs. 4, Verfassung und Verfahren des Obersten Bundesgerichts durch ein Bundesgesetz geregelt werden. Es ist somit, trotz grundsätzlich institutioneller Selbständigkeit, nicht ausgeschlossen, daß das Oberste Bundesgericht, z. B. in der Form eines gemeinsamen Senats oder vereinigter Senate, aus den einzelnen oberen Bundesgerichten heraus sich konstituiert. Dem Gesetz ist es auch überlassen, zu bestimmen, wie weit das Oberste Bundesgericht über eine abstrakte Rechtsfrage (mit daraus sich ergebender allgemeiner Bindung der übrigen Gerichte) oder jeweils über einen konkreten Streitfall zu entscheiden haben wird, desgleichen, ob gegebenenfalls die Zulassung eines besonderen Rechtsbehelfs („Rechtsrüge“) durch den judex a quo ausgesprochen werden muß usw.

An dieser Stelle muß ein kurzer Hinweis auf den Werdegang der einschlägigen Vorschriften des Grundgesetzes eingeflochten werden: Zunächst sind mehrfach wiederholte Anträge, im Grundgesetz festzulegen, das Oberste Bundesgericht ausschließlich derivativ aus der Institution der oberen Bundesfachgerichte zur Entstehung kommen zu lassen, abgelehnt worden, da damit der Weg zu seiner institutionellen Selbständigkeit von vornherein verbaut worden wäre.

Der Gedanke des Obersten Bundesgerichts erfuhr eine besondere Förderung durch eine eingehende, mit umfassendem historischem Material und rechtsvergleichenden Untersuchungen unterbaute Denkschrift des Abgeordneten Staatssekretär Dr. Strauß. Die wichtigsten Postulate dieser Denkschrift waren: Wahrung der territorialen Gleichmäßigkeit der Rechtsanwendung und ebenso die fachlichen; Einheitlichkeit des Obersten Gerichtes; Beschränkung der Richterzahl auf 25–30 Richter unter Gewährung entsprechender persönlicher Stellung; Beschränkung der Rechtsmittel gemäß dem sogenannten Grundsatzprinzip, d. h. Abstellung auf den judex a quo unter Ablehnung des Berufungs-, Revisions- und Kassationsprinzips. Dem Obersten Bundesgericht sollten als letzte Instanz unterstellt sein

a) folgende Ländergerichte:

1. in Zivil- und Strafsachen: die Oberlandesgerichte,

2. in Arbeitsgerichtssachen: die Oberlandesgerichte, evtl. die höchsten Arbeitsgerichte der Länder,

3. in Bundesverwaltungssachen: die Obersten Verwaltungsgerichte der Länder, soweit zur Anwendung von Bundesrecht zuständig.

b) die oberen Bundesfachgerichte:

1. in Sachen bundeseigener Verwaltung: das Bundesverwaltungsgericht,

2. in sonstigen Sachen: das Bundesfinanzgericht ; sowie das Bundessozialgericht.

Der Idee nach sollte das Oberste Bundesgericht in besonderem Maße sich als Krönung des Rechtsstaatsgedankens darstellen.

Die diesen Gedankengängen eigene Forderung auf Änderung des Rechtsmittelzuges begegnete Widersprüchen bei der gerichtlichen Praxis, die in großen Teilen die Beibehaltung einer vollen zweiten Tatsacheninstanz wünschte. Eine konstruktiv annehmbarere Lösung wurde deshalb in folgendem gesehen: Beibehaltung der alten Regelung für die ordentliche Gerichtsbarkeit mit einer Art Reichsgericht als Revisionsinstanz; daneben (auf gleicher Ebene) ein Bundesverwaltungsgericht, Bundesarbeitsgericht, Bundessozialgericht und über all diesen Fachgerichten dann das Oberste Bundesgericht. Entgegen der ursprünglichen gegenteiligen Konzeption gelangte der Ausschuß in seiner Mehrheit zu der Auffassung, das Oberste Bundesgericht solle jeweils nicht eine vom Tatbestand losgelöste abstrakte Rechtsfrage entscheiden, sondern den konkreten Rechtsfall einer rechtlichen Nachprüfung unterziehen mit Wirkung inter partes. Für diese Auffassung sprach einmal der Umstand, daß es mißlich sei, wenn der konkrete Prozeß von der Entscheidung völlig unberührt bliebe, weiterhin, daß die anderenfalls notwendigerweise eintretende Bindung der Gerichte zu einer gewissen Erstarrung der Rechtsprechung und damit der Rechtsentwicklung fahren könne, wodurch die Vorteile der bekannt vorsichtigen Rechtsprechung des Reichsgerichts, das immer bestrebt gewesen ist, eine Rechtsfrage nur in dem durch den Tatbestand gegebenen Umfang zu entscheiden, preisgegeben würden. Schließlich wurde bedacht, daß die Tatbestände, auf die eine abstrakte Entscheidung einmal angewandt werden kann, im voraus gar nicht zu übersehen sind.

Für die Praxis, so wurde erörtert, ergäben sich daraus verschiedene Lösungsmöglichkeiten: Entweder könnten gewisse Entscheidungen letztinstanzlicher Gerichte mit der „Rechtsrüge“ angefochten werden, wenn der judex a quo die Anfechtung zulasse; oder aber der judex a quo gebe unter gewissen Voraussetzungen die Sache zur Entscheidung an das Oberste Bundesgericht ab.

In letzterem Falle werde eine Instanz gespart, und die Sache gehe gleich „nach oben“. Hingewiesen wurde auch mehrfach auf die gegebenenfalls vorzusehende Einschaltung eines „Bundesanwalts“. Die Zulassung der „Rechtsrüge“ durch den judex a quo solle erfolgen, wenn ein Gericht von der Entscheidung des Obersten Bundesgerichts, eines Bundesfachgerichtes oder eines gleichgestellten sonstigen Gerichtes abweichen wolle, oder wenn es sich um eine Frage von für die Rechtseinheit grundsätzlicher Bedeutung handele. Offen blieb die Frage, wer judex a quo sein könne; nach Ansicht des Ausschusses jedoch nur ein Gericht im Range mindestens eines Oberlandesgerichts.

Die eingehenden Erörterungen führten zu dem Ergebnis, den Umfang der bindenden Normativbestimmungen des Grundgesetzes möglichst gering zu halten und dem künftigen Bundesgesetzgeber nach Möglichkeit freie Hand zu lassen. So erklärt sich auch, daß der ursprüngliche Vorschlag des Ausschusses, demzufolge das Oberste Bundesgericht entscheiden sollte „auf Antrag des sonst zuständigen Gerichtes an dessen Stelle“ in die endgültige Fassung des Gesetzestextes ebensowenig übernommen worden ist, wie der in der dritten Lesung des Hauptausschusses angenommene Passus, das Oberste Bundesgericht entscheide als „Gericht des letzten Rechtszuges“.

Zu 3). Besondere Bedeutung kommt dem Bundesverfassungsgericht zu. Ihm obliegen diejenigen Rechtspflegefunktionen, die sich aus der Reihe der übrigen dadurch herausheben, daß hier nicht primär, jedenfalls nicht ausschließlich über „reine Rechtsfragen“ entschieden wird, sondern daß jeweils in der politischen Sphäre wurzelnde Momente mitspielen, die auch bei einer justizförmigen Entscheidung nicht eliminiert werden können. Die Kompetenzen des Bundesverfassungsgerichts finden sich verstreut im ganzen Grundgesetz, die wichtigste sedes materiae ist der umfassende Zuständigkeitskatalog in Artikel 93.

Nach Ziffer 1 des Artikels 93 ist das Bundesverfassungsgericht zugleich Staats- und Verfassungsgerichtshof. Ihm obliegt, im Gegensatz zu dem Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich der Weimarer Verfassung in erster Linie die Entscheidung von Bundesverfassungsstreitigkeiten. Es soll entscheiden über die Auslegung des Grundgesetzes aus Anlaß von Streitigkeiten über den Umfang der Rechte und Pflichten eines obersten Bundesorgans oder anderer Beteiligter, die durch dieses Grundgesetz oder in der Geschäftsordnung eines obersten Bundesorgans mit eigenen Rechten ausgestattet sind. Voraussetzung des Tätigwerdens des Bundesverfassungsgerichts ist hier also das Vorliegen eines konkreten Streitfalles. Im Gegensatz zu der vom 34. Deutschen Juristentag in Köln im Jahre 1926 vorgeschlagenen Regelung, die nur Popularklagen ausschließen wollte, soll nunmehr nicht jedermann, der an einer Verfassungsstreitigkeit möglicherweise „beteiligt“ sein kann (wozu z. B. in Wahl- und Abstimmungsfragen unter Umständen gerade auch der einzelne Staatsbürger zählt) zur Anrufung des Bundesverfassungsgerichts berechtigte Streitpartei kann vielmehr, abgesehen von den obersten Bundesorganen, a liminiae nur derjenige sein, der die in Ziffer 1 umrissenen Voraussetzungen erfüllt.

In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, daß nach Art. 98 Ziff. 2 des Herrenchiemseer Entwurfes das Bundesverfassungsgericht entscheiden sollte „über Verfassungsstreitigkeiten zwischen obersten Bundesorganen…….“. Nach dieser Formulierung wäre Gegenstand der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die aus dem Grundgesetz herzuleitende jeweilige subjektive Berechtigung bzw. Verpflichtung der betreffenden Organe gewesen. Unmittelbarer Gegenstand des Streites und der Entscheidung wäre danach ausschließlich die Ausübung verfassungsrechtlicher Befugnisse und Zuständigkeiten. Damit würden aber der staatsgerichtlichen Kognition Probleme unterworfen, deren Austragung, zumindest für den Regelfall, Sache des politischen Machtkampfes sein muß; die also in das politische Kräftespiel fallen, an dem teilzunehmen und innerhalb dessen jeweils nach einem Ausgleich der verschiedenen widersprechenden Interessen zu suchen, gerade zu dem immanenten Wesen eines jeden oberen Staatsorganes gehört. Aus dem Gefühl heraus, unangebrachte Juridifizierungen zu vermeiden, „bei denen die Politik nichts zu gewinnen und die Justiz alles zu verlieren hat“, hatte der Ausschuß auch zunächst die Streichung der Ziffer 2 des Artikels 98 des Entwurfs von Herrenchiemsee beschlossen. Die nunmehr getroffene Regelung aber, nach der das Vorliegen eines Verfassungsstreites zwischen bestimmten Organen lediglich der Anlaß zu dem Tätigwerden des Bundesverfassungsgerichts ist, weist diesem letzten Endes die Funktion eines Bundesspruchgerichtes im Sinne Zeilers und des Külz’schen Entwurfes von 1926 zu, indem es in diesen Fällen über die „Auslegung“ dieses Grundgesetzes – der Vorschlag des 34. Deutschen Juristentages sah „Auslegung und Anwendung“ der Reichsverfassung vor – entscheidet.

Zur Klarstellung muß bemerkt werden, daß das Bundesverfassungsgericht hinsichtlich der „Auslegung“ des Grundgesetzes nicht etwa allgemein die Aufgaben eines derartigen Spruchgerichts auch über die im Grundgesetz selbst erwähnten Fälle hinaus erhalten hat. Eine derartig generelle Übertragung kann indes durch Bundesgesetz erfolgen. Damit wird dem von dem 34. Deutschen Juristentag mit Recht aufgestellten Leitsatz Rechnung getragen, daß als gesetzgeberisches Ziel anzustreben sei, die Auslegung des Reichsverfassungsrechtes in oberster Instanz beim Staatsgerichtshof zu vereinigen. Vorerst aber sind alle Gerichte in den jeweils bei ihnen anhängenden Streitsachen befugt, dabei notfalls auch das Grundgesetz auszulegen. Eine Beschränkung enthält in dieser Hinsicht nur die Vorschrift des Art. 100 Abs. 3, derzufolge das Verfassungsgericht eines Landes die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dann einzuholen hat, wenn es bei der Auslegung des Grundgesetzes von der Entscheidung dieses Gerichts oder des Verfassungsgerichts eines Landes abweichen will.

Bei den mit verfassungsrechtlichen Sonderrechten ausgestatteten „Beteiligten“ ist z. B. zu denken an Teile eines Organs. Durch die Fassung „mit eigenen Rechten ausgestattet“ sollte, wie bereits angedeutet, eine Einschränkung vorgenommen werden, um den Kreis der Aktivlegitimierten möglichst durch das Grundgesetz selbst zu bestimmen, zumindest einer uferlosen Ausweitung vorzubeugen. Die ursprünglich vom Redaktionsausschuß vorgeschlagene Fassung wollte die Aktivlegitimation insoweit nur „Beteiligten“ zuerkennen, die im Grundgesetz selbst mit eigenen Rechten ausgestattet sind. Der Ausschuß schlug demgegenüber vor, allgemein von „Beteiligten“ zu sprechen und wollte die Umgrenzung des Kreises dieser Beteiligten einem Bundesgesetz überlassen. Gegenüber beiden Vorschlägen wurde indes darauf hingewiesen, daß dadurch die Klageberechtigung der einzelnen Fraktionen des Bundestages nicht genügend gesichert sei. Aus diesem Grunde wurde die später Gesetz gewordene Formulierung gewählt.

Aus dem rechtlichen Charakter der „Beteiligten“ im Sinne der Ziffer 1 dürfte folgen, daß auch hier gilt, was Triepel auf der sechsten Staatsrechtslehrertagung 1928 über Verfassungsstreitigkeiten allgemein bemerkt hat, daß sie nämlich niemals nur reine Rechtsstreitigkeiten sind, sondern notwendigerweise immer auch eine politische Seite haben.

Nach Ziffer 2 des Artikels 93 ist das Bundesverfassungsgericht eigentlicher Verfassungsgerichtshof, indem ihm die Nachprüfung von Bundes- und Landesrecht auf seine Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz obliegt, außerdem hat es die Funktion eines Bundesspruchgerichtes auch in diesen Fällen insoweit, als es für die Durchführung einer abstrakten Normenkontrolle zuständig ist. Bundesspruchgericht ist es auch dort, wo die Vereinbarkeit von Landesrecht mit sonstigem Bundesrecht in Frage steht. Das Tätigwerden des Bundesverfassungsgerichts in den Fällen der Ziffer 2 ist davon abhängig, daß ein entsprechender Antrag der Bundesregierung, einer Landesregierung oder eines Drittels der Mitglieder des Bundestags vorliegt. Normenkontrollfunktion übt das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 weiterhin dann aus, wenn ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für unvereinbar mit dem Grundgesetz erachtet oder wenn nach seiner Auffassung eine Verletzung des Grundgesetzes durch Landesrecht oder die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetz vorliegt.

Das viel umstrittene richterliche Prüfungsrecht (Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen) ist damit so geregelt, daß die Gerichte zwar ein Vorprüfungsrecht haben, jedoch nach der soeben genannten Bestimmung die letzte Entscheidung über die Frage der Unvereinbarkeit beim Bundesverfassungsgericht liegt. Diese Regelung erscheint besonders zweckmäßig, weil das Bundesgesetz, das nach Art. 94 die Verfassung und das Verfahren des Bundesverfassungsgerichts zu regeln hat, auch bestimmen soll, in welchen Fällen die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Gesetzeskraft haben. Es darf in diesem Zusammenhang daran erinnert werden, daß der frühere Reichsgerichtspräsident Dr. Simons die Regelung des Gesetzes zur Ausführung des Artikels 13 der Weimarer Verfassung, derzufolge in den Fällen des Artikels 93 Abs. 2, das Reichsgericht zuständig war, als unzweckmäßig bezeichnet hat und diese Aufgabe dem Staatsgerichtshof übertragen wissen wollte.

Innerhalb und außerhalb des Ausschusses fanden sich Vertreter der Auffassung, daß die Frage der Vereinbarkeit vom Bundes- oder Landesrecht mit dem Grundgesetz zweckmäßigerweise der Kompetenz des Obersten Bundesgerichts zugewiesen werden müsse, da sie in erster Linie eine Rechtsfrage sei. Demgegenüber wurde jedoch zu bedenken gegeben, daß zwar in diesen Fällen weniger über Tatfragen als über Rechtsfragen zu entscheiden sei, daß aber diese Rechtsfragen unter Umständen eine weit größere politische Bedeutung haben könnten, als irgendeine Tatfrage. Es läßt sich nicht von der Hand weisen, daß seinerzeit Carl Schmitt mit seiner eindringlichen Argumentation („Hüter der Verfassung“) den Kern dieses Problems klar, wenn auch vielleicht allzu überspitzt, aufgezeigt hat: „Bei der Entscheidung von Zweifeln und Meinungverschiedenheiten darüber, ob ein Widerspruch zwischen zwei Normen vorliegt, wird nicht die eine Norm auf die andere angewandt, sondern – weil die Zweifel und die Meinungsverschiedenheiten nur den Inhalt des Verfassungsgesetzes betreffen – in Wahrheit ein zweifelhafter Normeninhalt außer Zweifel gestellt und authentisch festgelegt. Das ist in der Sache Beseitigung einer Unklarheit über den Inhalt des Verfassungsgesetzes und daher Bestimmung des Gesetzesinhalts, demnach in der Sache Gesetzgebung, sogar Verfassungsgesetzgebung, und nicht Justiz.“

Mit Recht ist auch sowohl vom früheren Staatsgerichtshof wie in der Literatur betont worden, daß es sich in den Fällen einer derartigen Normenkontrolle nicht eigentlich um Rechtsprechungsakte, sondern um eine Funktion sui generis handele. Auf alle diese Verfassungsfragen trifft die oben zitierte Bemerkung Triepels auf der sechsten Staatsrechtslehrertagung 1928 in vollem Umfange zu.

Entgegen z. B. der Regelung in Artikel 98 der bayerischen Verfassung – „der Verfassungsgerichtshof hat Gesetze für nichtig zu erklären, die ein Grundrecht verfassungswidrig einschränken“ – trifft das Grundgesetz keine Spezialregelung über die Nichtigkeitserklärung von Gesetzen, die ein Grundrecht verfassungswidrig einschränken. Eine Popularklage, wie sie auf Grund der erwähnten Vorschrift durch § 54 des bayerischen Gesetzes vom 22. 7. 1947 eingeführt worden ist – die jedermann die Möglichkeit gibt, vor dem bayer. Verfassungsgerichtshof die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes geltend zu machen -, könnte, trotz fehlender besonderer Hervorhebung des Grundrechtskomplexes und eine darauf gegründete Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts, gegebenenfalls durch Bundesgesetz zugelassen werden. Dem würden die Bestimmungen des Artikels 93 Ziffer 2 und Artikel 100 Absatz 1 nicht entgegenstehen, da hier lediglich das volle Prüfungs- und Entscheidungsrecht der Gerichte ausgeschlossen und insoweit die Kompetenz des Bundesverfassungsgerichts begründet, jedoch nicht abschließend normiert ist, auf welchem Wege überhaupt eine solche Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eingeholt werden kann. Es läßt sich zurzeit nicht übersehen, ob die Antragsbefugnis gemäß Ziff. 2 und die Vorlagepflicht der Gerichte ausreichend sein werden oder ob die warnenden Stimmen der Literatur Recht behalten werden, die einen starken horror der Gerichte gegenüber derartigen Vorlagen befürchten. Dagegen dürfte es nicht zulässig sein, die Nachprüfung der Grundrechtsmäßigkeit von Gesetzen auf Antrag von Einzelpersonen dem Obersten Bundesgericht zu übertragen. Demgemäß kann ein Gericht einen solchen Fall auch nicht dem Obersten Bundesgericht vorlegen. Für die Einschaltung des Obersten Bundesgerichtes sind zwar nicht ungewichtige Gründe geltend gemacht worden, doch hätte der – Nachteil einer Teilung der Prüfungskompetenz zwischen Bundesverfassungsgericht und Oberstem Bundesgericht den etwaigen Vorteil überwogen.

Ergänzend sei noch bemerkt, daß die Begriffe „Zweifel und Meinungsverschiedenheiten“ grundsätzlich im gleichen Sinne auszulegen sind wie die gleichlautenden Begriffe in den einschlägigen Bestimmungen der Weimarer Verfassung.

Wieder auf einer anderen Ebene – das sei hier eingeschaltet – liegt die Frage, ob eine Regel des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts ist, und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25). Hier handelt es sich um die Entscheidung einer abstrakten Rechtsfrage. Demzufolge wurde erörtert, ob insoweit zweckmäßigerweise nicht die Zuständigkeit des Obersten Bundesgerichts zu begründen sei, unter anderem im Hinblick auf das Ausland (Internationaler Schiedsgerichtshof im Den Haag). Andererseits ist jedoch zu bedenken, daß es bei all diesen Rechtsfragen letztlich um die Auslegung überstaatlichen Rechts geht, dem nur besondere, der Eigenart gerade dieser Rechtsmaterie adäquate Beurteilungsmaßstäbe gerecht zu werden vermögen.

Der Herrenchiemseer Entwurf hatte weiter vorgesehen, das Bundesverfassungsgericht solle entscheiden über Beschwerden wegen Verletzung der durch das Grundgesetz gewährleisteten Grundrechte. Hiermit war festgelegt das Rechtsinstitut der insbesondere aus dem bayerischen Verfassungsrecht bekannten sogenannten Verfassungsbeschwerde. Während jedoch auf Grund des Art. 93 der bayerischen Verfassung von 1919 mit der Verfassungsbeschwerde jede unter Verletzung objektiver Verfassungsnormen erfolgte Schädigung irgendwelcher subjektiver Rechte angefochten werden konnte und der Artikel 120 der bayerischen Verfassung von 1946 die Anfechtungmöglichkeit zwar einschränkt, immerhin aber lediglich das Vorliegen subjektiver, in der Verfassung selbst oder in einem Anhang dazu gewährter Rechte erfordert, wollte der Herrenchiemseer Entwurf die Verfassungsbeschwerde auf eigentliche Grundrechtsverletzungen beschränken.

Sinn und Zweck der bayerischen Regelung kennzeichnet ein besonderer Kenner dieser Materie, Ministerialrat Römer (SJZ 1949 S. 185), dahin: „Grundsätzlich ist festzustellen, daß das Rechtsinstitut der Verfassungsbeschwerde des einzelnen Bürgers zum Verfassungsgerichtshof zwar, wie zu erwarten, nicht selten querulatorisch mißbraucht wird, aber doch auch in einer Reihe von Fällen- zur autoritativen Entscheidung längst strittiger Rechtsfragen, zur Aufhellung des Wesens mancher Grundrechte und zu der politisch so notwendigen Verlebendigung der Verfassung führt.“ Mit dieser bayerischen Regelung berührte sich ein Vorschlag des Abg. Dr. Strauß, der lautet:

1) Jeder Deutsche kann Verfassungsbeschwerde erheben wenn er sich durch die Verfügung oder Entscheidung einer Behörde in einem Grundrecht oder in einem ihm sonst nach diesem Grundgesetz zustehenden Recht verletzt glaubt.

2) Die Verfassungsbeschwerde ist nur zulässig, soweit nicht der Rechtsweg an die Gerichte oder Verwaltungsgerichte eröffnet ist; sie ist erst zulässig, wenn der Verwaltungsweg erschöpft ist.

3) Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen eine Verfügung oder Entscheidung einer Bundesbehörde oder einer Behörde der bundesunmittelbaren Selbstverwaltung, so ist das Oberste Bundesgericht, sonst das Verfassungsgericht des beteiligten Landes zuständig. Das Nähere wird durch Gesetz bestimmt.

Ein Unterschied liegt in erster Linie in der Einschaltung des Obersten Bundesgerichts. Eine Beschränkung ähnlich derjenigen des Strauß’schen Vorschlages, sieht auch das bayerische Gesetz über den Staatsgerichtshof vor, demzufolge der Beschwerdeführer dann, wenn hinsichtlich des Beschwerdegegenstandes. der Rechtsweg zulässig ist, dessen Erschöpfung nachweisen muß (ähnlich auch die hessische Regelung).

Gleichwohl hat man sich später entschlossen, in dem Grundgesetz auf die Verfassungsbeschwwerde zu verzichten. Ein Schritt, gegen den grundsätzliche Bedenken aus dem Gesichtspunkt rechtsstaatlichen Denkens angesichts der allgemeinen Eröffnung des Rechtsweges durch Art. 19 Abs. 4 nicht bestehen dürften. Wenn man sich allerdings vergegenwärtigt, daß zu den Kennzeichen der bisherigen Rechtsprechung des bayerischen Verfassungsgerichtshofes der Umstand gezählt werden dürfte, daß z. B. die Grundrechte der Freiheit und Persönlichkeit mit betonter Deutlichkeit als allgemeine Menschenrechte, als vor- und überstaatliche Individualrechte des freien Einzelmenschen, die er dem Staate gegenüber hat, erklärt werden – „im übrigen liegen die elementaren Grundrechte jedem positiven Recht voraus“ -, so muß es der Entwicklung überlassen bleiben, ob angesichts der fehlenden Konzentration der Grundrechtsrechtsprechung an einer einzigen Stelle, die Bestimmung des Art. 1 Abs. 2 (Bekenntnis des deutschen Volkes zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten) die gleiche rechtliche Relevanz wird erlangen können.

Die Regelung der Ziffern 3 und 4 des Art. 93 entspricht ingesamt – einschließlich der nur subsidiären Zuständigkeit in Ziffer 4 – derjenigen der Artikel 15 (Aufsichtsstreitigkeiten) und 19 der Weimarer Verfassung.

Bemerkenswert erscheint, daß in den Fällen der Ziffer 3 – zum Unterschied gegenüber denjenigen der Ziffer 1 – Streit- und Entscheidungsgegenstand die jeweils vom Bund bezw. einem Land behauptete subjektive Berechtigung bezw. Verpflichtung ist. Das erklärt sich daraus, daß das Bundesverfassungsgericht – insoweit als eine spezifisch bundesstaatliche (föderalistische) Einrichtung zu betrachten ist. Dabei mag auch eine bestimmte, heute noch nachwirkende historische Reminiszenz nachwirken, derzufolge – wenn auch nicht im streng juristischen Sinne – die eigentliche Grundlage der Bismarck’schen Verfassung ein Vertrag gewesen sei. Gewichtige Stimmen haben deshalb die Regelung der Verfassung von 1871, die Streitigkeiten zwischen Reich und Ländern ignorierte und im übrigen dem Bundesrat, also einem politischen Staatsorgan, die Erledigung übertrug, als grundsätzlich verfehlt bezeichnet. Das Grundgesetz hat demgegenüber die von rechtsstaatlichen Gesichtspunkte als konsequent erscheinende Regelung der Weimarer Verfassung im Prinzip übernommen (ebenso auch grundsätzlich der Herrenchiemseer Entwurf).

In jedem Falle, sowohl im Bereich der Ziff. 3 wie auch der Ziff. 4, muß es sich um eine Rechtsstreitigkeit handeln. Deshalb kann ein Streitfall gemäß diesen Ziffern dort nicht gegeben sein, wo es dem Ermessen der einen Seite anheimgegeben ist, von einer Kompetenz Gebrauch zu machen. So hat im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung der Bundesgesetzgeber selbst darüber zu entscheiden, ob gegebenenfalls ein „Bedürfnis“ nach Artikel 72 Abs. 2 vorliegt.

In der Generalklausel der Ziffer 4 wurde die negative Formulierung der Weimarer Verfassung Streitigkeiten „nichtprivatrechtlicher Art“ durch die positive Fassung „öffentlich-rechtliche“ ersetzt. Diese Formulierung erscheint besser, präziser, unter Umständen auch weitergehend, insofern, als der Begriff „nichtprivatrechtlicher Art“ jedenfalls nicht völlig zweifelsfrei klarstellt, ob damit sowohl Streitigkeiten gemeint waren, in denen der eine Teil (Reich oder Land) dem anderen wie sonst ein einzelner, gewaltunterworfener Bürger gegenüberstand, als auch solche, in denen Reich und Land sich beiderseits als Hoheitsträger begegneten.

Dem Wortlaut nach begründet die dritte Alternative der Ziffer 4 die – subsidiäre – Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts für alle öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten innerhalb eines Landes, während der Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich nach Art. 19 der Weimarer Verfassung nur für „Verfassungsstreitigkeiten“ „innerhalb des Landes“ zuständig war. In der Sache wird sich diese Verschiedenheit schon im Hinblick auf die in den meisten Ländern eingeführte Generalklausel für das Verwaltungsgerichtsverfahren nicht allzu- stark auswirken. Gleichwohl kann sich für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten die Frage erheben, ob dort, wo eine solche Generalklausel nicht besteht, und damit insofern weder eine – gerichtliche Zuständigkeit nach Art. 19 Abs. 4 begründet, noch ein anderer Rechtsweg gemäß Art. 93 Ziff. 4 gegeben ist, die ordentlichen Gerichte nach Art. 19 Abs. 4 Satz 2 oder aber das Bundesverfassungsgericht nach Art. 93 Ziff. 4 angerufen werden müssen. Während die übrigen Vorschriften, betreffend das Bundesverfassungsgericht, zweifellos Spezialbestimmungen sind, war der Ausschuß der Ansicht, daß im Verhältnis der Normen des Art. 19 Abs. 4 Satz 2 und Art. 93 Ziff. 4, die beide subsidiären Charakter tragen, zueinander, die erstere vorgeht. Somit könnten in einem Fall, wo ein Rechtsweg vor Länderverwaltungsgerichten nicht gegeben ist, nur die ordentlichen Gerichte, nicht aber das Bundesverfassungsgericht, angerufen werden. Der Kognition des Bundesverfassungsgerichts sollten insofern nur diejenigen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten unterworfen werden, die sich in der eigentlichen Verfassungsrechtssphäre bewegen. Praktisch besteht also kein erkennbarer Unterschied gegenüber dem in Weimar geschaffenen Rechtszustand, wenn man auch von der Übernahme des Wortlauts abgesehen hat. Dabei ist auf folgendes hinzuweisen: Damals konnten auch aus Bestimmungen der Reichsverfassung echte „Verfassungsstreitigkeiten innerhalb eines Landes“ entstehen, und zwar nicht nur in den Fällen, wo die Reichsverfassung verfassungsorganisatorische Bestimmungen für die Länderverfassungen enthielt (z.B. Art. 17), sondern nach der Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes immer dann, wenn sie innerhalb eines Landes sich entwickelten oder sich auf Vorschriften der Reichsverfassung bezogen oder in Vorschriften der Reichsverfassung wurzelten, die auf die Länderverfassungen oder andere landesverfassungsrechtliche Normen einwirkten und insoweit eine Ergänzung der Landesverfassungen bildeten.

Vom Standpunkt dieser Auffassung aus könnte also eine Landesverfassungsstreitigkeit regelmäßig dort als vorliegend angesehen werden, wo landesrechtlich eine Verfassungsbeschwerde vorgesehen ist. Denn irgendwie werden in sehr vielen Fällen die Grundrechte des Grundgesetzes diejenigen der Landesvervassungen ergänzen oder auf sie einwirken (vgl. Art. 142). Hier den richtigen Weg zu finden, muß der Rechtsprechung der zuständigen Instanzen überlassen bleiben. Im übrigen muß sich das Vorliegen einer Landesverfassungsstreitigkeit nach den jeweiligen Landesverfassungen bezw. sonstigen landesverfassungsrechtlichen Normen bestimmen, die allerdings im Regelfall zugleich auch den entsprechenden Rechtsweg vorsehen werden. Das wird auch für den Fall der sogenannten Organstreitigkeiten gelten; sollte ein solcher Fall ausnahmsweise einmal an das Bundesverfassungsgericht gelangen, so wird, zum Unterschied gegenüber der Ziff. 1, Streit- und Entscheidungsgegenstand nicht eine objektive Landesverfassungsnorm, sondern die daraus hergeleitete subjektive Berechtigung bezw. Verpflichtung sein.

Die dem Bundesverfassungsgericht in den Ziffern 1 – 4 übertragenen Funktionen lassen es mit Fug als den eigentlichen Hüter der Verfassung erscheinen. Wenn dem Obersten Gerichtshof der USA – vor allem auch im allgemeinen Bewußtsein des Volkes – die Eigenschaft eines Hüters und Wahrers der amerikanischen Bundesverfassung zukommt, und zwar einmal auf Grund der ihm in der Bundesverfassung übertragenen Kompetenzen, vor allem aber, nachdem er seit den Zeiten Hamiltons und Marshalls des Prüfungsrecht hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Gesetze in ständiger Rechtsprechung – nicht unangefochten – sich selbst vindiziert hat, muß das gleiche vom Bundesverfassungsgericht gelten. Dies umso mehr als eine Zuständigkeit des amerikanischen Obersten Gerichtshofes bei Verfassungsstreitigkeiten zwischen den obersten Staatsorganen selbst, also inbesondere zwischen Präsident und Kongreß oder zwischen Senat und Repräsentantenhaus, überhaupt nicht gegeben ist.

Von den sonstigen, in diesem Grundgesetz begründeten Zuständigkeiten des Bundesverfassungsgerichts sei noch seine Mitwirkung im Wahlprüfungsverfahren erwähnt. Während die Weimarer Verfassung ein besonderes, beim Reichstag gebildetes Wahlprüfungsgericht kannte, ein unabhängiges Gericht, das aus Mitgliedern des Reichstags und solchen des Reichsverwaltungsgerichts bzw. des Reichsgerichts bestand, hat das Grundgesetz, nach dem Vorschlag des Herrenchiemseer Entwurfs, die Wahlprüfung dem Bundestag selbst übertragen, als Beschwerdeinstanz jedoch das Bundesverfassungsgericht eingeschaltet (Art. 41). Die Verwirkung von Grundrechten, die Art. 18 vorsieht, und ihr Ausmaß werden ebenfalls durch das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen.

Schließlich sei noch hingewiesen auf die Bestimmung des Art. 61, nach der der der Bundestag oder der Bundesrat den Bundespräsidenten wegen vorsätzlicher Verletzung des Grundgesetzes oder eines anderen Bundesgesetzes vor dem Bundesverfassungsgericht anklagen kann. Historisch gesehen, hat dieses Verfahren ursprünglich einen strafrechtlichen Charakter gehabt. Es hat aber im Laufe der Entwicklung einen starken Wandel erfahren, und die Charakteristik, die Triepel für eine verwandte Erscheinung (die Ministeranklage) gibt, trifft auch hier zu: Ein starkes, diskretionäres Moment, ein pouvoir souverain, zeigt sich bei der Charakterisierung der Tat und der Verhängung der Strafe. Schließlich verliert das Institut seinen kriminellen Charakter; unter Beschränkung des Klagegrundes und der Straffolge wird es zur justice politique.

Die Bestimmung des Abs. 2 des Art. 93, derzufolge das Bundesverfassungsgericht ferner in den ihm sonst durch Bundesgesetz zugewiesenen Fällen tätig wird, erlaubt, daß das Bundesverfassungsgericht durch Bundesgesetz gegebenenfalls auch mit gutachterlichen Funktionen betraut werden kann. Es könnte sich z.B. als zweckmäßig erweisen, dem Bundespräsidenten, der gemäß Art. 82 die nach den Vorschriften dieses Grundgesetzes zustande gekommenen Gesetze auszufertigen und im Bundesgesetzblatt zu verkünden hat, die Möglichkeit zu geben, vor der Verkündung des beschlossenen Gesetzes ein Gutachten des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes einzuholen. Bereits unter der Weimarer Verfassung wurde erwogen, dem Reichspräsidenten ein derartiges Recht zu geben (vgl. Verhandlung des 34. Juristentages.)

Nicht erforderlich erschien es, wie ursprünglich beabsichtigt, im Grundgesetz selbst zu bestimmen, daß das Bundesverfassungsgericht einstweilige Anordnungen erlassen kann. Dies umso mehr, als bereits der Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich, ebenfalls ohne besondere verfassungsrechtliche Ermächtigung, dieses Recht in ständiger Praxis für sich in Anspruch genommen hat.

Über die Zusammensetzung des Bundesverfassungsgerichts ist in Art. 94 nur bestimmt, daß es aus Bundesrichtern und anderen Mitgliedern besteht, und daß die Mitglieder je zur Hälfte vom Bundestag und Bundesrat gewählt werden. Ferner ist eine Inkompatibilität zwischen der Mitgliedschaft im Bundesverfassungsgericht und der Zugehörigkeit zu den Gesetzgebungsorganen und den Regierungen des Bundes und der Länder vorgesehen. Nicht ausgeschlossen erscheint die Möglichkeit, gegebenenfalls eine Verbindung zwischen Bundesverfassungsgericht und Obersten Bundesgericht durch Gesetz herbeizuführen, ähnlich wie in der Weimarer Zeit- der Staatsgerichtshof dem Reichsgericht angegliedert war und nach einem späteren Entwurf dem Reichsverwaltungsgericht angegliedert werden sollte.

Die dem Bundesverfassungsgericht übertragenen Funktionen weisen, wie mehrfach hervorgehoben, gegenüber den sonstigen Rechtspflegearten durch ihre politische Akzentuierung eine ganz besondere Eigenart auf. Gleichwohl ließe sich die Auffassung vertreten, daß sie aus dem Gesichtspunkt einer rechtseinheitlichen Rechtsprechung auch dem Obersten Bundesgericht zur Erledigung hätten übertragen werden können, gegebenenfalls unter einer von der sonstigen abweichenden Zusammensetzung. Dem steht jedoch einmal das schwerwiegende Bedenken entgegen, worauf bereits in der Strauß’schen Denkschrift zutreffend hingewiesen wurde, daß schon die Eigenart der Entwicklung des politischen Denkens in Deutschland eine derartige Lösung nicht für angezeigt, vielmehr ein vom Obersten Bundesgericht institutionell unterschiedenes besonderes Bundesverfassungsgericht, zur Zeit jedenfalls, als angemessener erscheinen läßt. Man kann annehmen, daß die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts im öffentlichen Bewußtsein in weitaus größerem Umfang auf Zustimmung werden rechnen dürfen, als das bei dem Obersten Bundesgericht der Fall sein würde. Der Gedanke einer durchgängigen Justizstaatlichkeit für alle privaten und staatlichen Lebensgebiete sowie eines rein justizförmigen Prozedierens ist, auch soweit beides an sich möglich wäre, keineswegs tief genug verankert; er wird jedenfalls nicht überwiegend als eine Selbstverständlichkeit empfunden.

Hinzu kommt aber noch folgendes, worauf ebenfalls bereits hingewiesen wurde: Politische Fragen, wie sie die Verfassungsgerichtsbarkeit zu behandeln hat, widerstreben irgendwie immer gerichtlichen Entscheidungen. Die Verfassungsgerichtsbarkeit als solche führt auch kaum eine Entpolitisierung der betreffenden Frage herbei. Vielmehr steht immer „das Wesen der Verfassung mit dem Wesen der Verfassungsgerichtsbarkeit bis zu einem gewissen Grade in Widerspruch.“ (Triepel).

Zu 4): In grundsätzlicher Übereinstimmung mit den entsprechenden Vorschriften der Weimarer Verfassung sichert auch Art. 97 des Grundgesetzes die persönliche und sachliche Unabhängigkeit der Richter. Entgegen den Vorsch!ägen des Herrenchiemseer: Entwurfs (und der Bestimmung des Art. 121 der Verfassung von Rheinland-Pfalz) ist eine Vorschrift dahingehend, daß der Richter außer dem Gesetz nur seinem Gewissen unterworfen sei, nicht aufgenommen worden. Damit wäre in dem Grundgesetz selbst das überaus schwierige Problem des Verhältnisses von positivem zu überpositivem bezw. gegebenenfalls von staatlichem zu ungeschriebenem vorstaatlichem Recht, das Problem von Recht und Gesetz in seiner Gesamtheit, aufgerollt worden, ohne daß darauf gleichzeitig eine befriedigende Antwort hätte gegeben werden können. Andernfalls hätte zum Beispiel die Frage aufgeworfen werden können, ob Sätzen des positiven Rechts etwa auch wegen eines nicht näher bezeichneten Verstoßes gegen angebliche allgemein anerkannte Grundsätze jeglichen Rechtes oder der Moral die Gültigkeit abgesprochen werden könne. Bei Aufnahme dieses Gedankens in das Grundgesetz wäre dann weiter zu erörtern gewesen ob nicht mit Rücksicht darauf, daß die Prüfung der materiellen Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten ist, auch die Prüfung der Frage, ob ein (neues) Gesetz wegen eines Verstoßes gegen allgemein anerkannte Grundsätze jeden Rechts oder gegen Gesetze der Moral nicht rechtsverbindlich ist, ebenfalls nur durch das Bundesverfassungsgericht erfolgen sollte (insbesondere ein – Vorschlag von Römer).

Eine bedeutsame Neuerung gegenüber der Weimarer Verfassung liegt darin, daß versucht worden ist, den besonderen Charakter der Richter als der Repräsentanten der dritten staatlichen Gewalt, eben der Rechtsprechung, deutlich herauszustellen. Die hinter uns liegenden bitteren Erfahrungen erklären sich zu einem nicht unwesentlichen Teil daraus, daß die Richter mit einer schweren, soziologisch und historisch bedingten Hypothek belastet waren, daß, wie Prof. Bader in seiner Schrift über die deutschen Juristen mit Recht hervorgehoben hat, der Richter auch nach der Trennung der Gewalten ein „kleiner Justizbeamter“ geblieben war. Schon seit langem (Adickes) haben sich gewichtige Stimmen gegen diese Verbeamtung des Richters gewandt; man wollte ihn statt dessen wieder als ersten Vertreter eines Ur-Berufsstandes, einer menschlichen Urfunktion angesehen wissen und einen neuen Richtertyp schaffen, unabhängig von allen anderen Laufbahnen des öffentlichen Dienstes. Nunmehr sollen ein besonderes Bundesgesetz bezw. besondere Landesgesetze die Rechtstellung der Richter regeln und damit, unter Heraushebung aus der übrigen Beamtenschaft, der Besonderheit des Richteramtes gerecht werden; bezüglich der Richter in den Ländern kann zudem der Bund Rahmenvorschriften erlassen (Art. 98 Abs. 1 und 3). Auf der anderen Seite muß dagegen Vorsorge getroffen werden, daß die Richter die ihnen anvertraute Macht und das besondere Vertrauen das ihnen vom Volke durch die Berufung in das Richteramt entgegengebracht wird, gegenüber dem Volk selbst mißbrauchen. Diesem Zweck dient die in Art. 98 Abs. 2 vorgesehene sogenannte Richteranklage. Danach kann das Bundesverfassungsgericht, wenn ein Bundesrichter im Amte oder außerhalb des Amtes gegen die Grundsätze des Grundgesetzes oder gegen die verfassungmäßige Ordnung eines- Landes verstößt, mit Zweidrittelmehrheit auf Antrag des Bundestages anordnen, daß der Richter in ein anderes Amt oder in den Ruhetand zu versetzen ist. Im Falle eines vorsätzlichen Verstoßes kann auf Entlassung erkannt werden. – Unter Versetzung in ein anderes Amt soll auch die Versetzung in ein nichtrichterliches, weisungsgebundenes Amt zu verstehen sein. Der ursprüngliche Plan, nach dem auch der Bundesjustizminister das Anklageverfahren sollte in Gang bringen können, ist nicht verwirklicht worden. Die Regelung des Art. 98 Abs. 2 geht nicht so weit, wie die Bestimmungen einiger Länderverfassungen. So kann nach Art. 127 Abs. 4 der hessischen Verfassung ein Richter unter Umständen ohne Vorliegen irgendeines Schuldmomentes entlassen werden, wenn er die Erwartung, daß er sein Amt im Geiste der Demokratie und des sozialen Verständnisses ausüben werde, nicht erfüllt; die hessische Verfassung will den einschlägigen Fragenkomplex nicht primär unter eigentlich strafrechtlichen Aspekten gewertet wissen (Vgl. auch Art. 132 der Verfassung von Rheinland-Pfalz). In dieser Art weitergehendes geltendes Landesverfassungsrecht bleibt gemäß Abs. 5 des Art. 98 unberührt. Im übrigen können die Länder eine dem Abs. 2 entsprechende Regelung treffen. In allen Fällen steht die Entscheidung über eine Richteranklage (nach einem noh‘ in der vierten Hauptausschuß-Sitzung gefaßten Beschluß) dem Bundesverfassungsgerichtshof zu.

Die Richteranklage, wie sie Art. 98 Abs. 2 vorsieht, ist im Grunde nur eine Sicherung des Volkes dafür, daß der Richter die ungeheure und nach der fachlichen Seite nicht kontrollierbare Machtbefugnis im Sinne des Volkes, von dem er sie erhalten hat, und in dessen Namen er sie ausübt, verwaltet. Die Regelung, daß ein Richter in einem solchen Falle ebenso wie der höchste Träger der Exekutivgewalt, der Bundespräsident, vor dem Bundesverfassungsgericht sich zu verantworten hat, zeigt am deutlichsten seine besondere und herausgehobene Stellung als Vertreter der rechtsprechenden Gewalt an.

Die demokratische Grundforderung, daß alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht, kommt weiterhin zum Ausdruck- in der verfassungsmäßigen Einrichtung von Richterwahlausschüssen, die u. a. aus Mitgliedern bestehen, die von den Parlamenten gewählt werden. (Art. 95 Abs. 3, Art. 96 Abs. 2). Entsprechende Bestimmungen können gemäß Art. 98 Abs. 4 auch in den Ländern ergehen.

Zu erwähnen bleibt noch, daß die überkommenen rechtsstaatlichen Grundsätze, die das Verhältnis des einzelnen Staatsbürgers gegenüber der rechtsprechenden Gewalt angehen, und die im Kern grundrechtsartigen, Charakter tragen, auch in das Grundgesetz aufgenommen worden sind – z . B. Unzulässigkeit von Ausnahmegerichten; Anspruch auf den gesetzlichen Richter; Anspruch auf rechtliches Gehör; nulla poena sine lege; ne bis in idem; Freiheitsentziehung nur unter bestimmten Voraussetzungen. – Sie haben teilweise eine besonders prägnante Formulierung gefunden. (Vgl. Art. 101, 103, 104). Ursprünglich war auch an die Aufnahme einer Bestimmung des Inhalts gedacht, nach der jeder Beschuldigte in jeder Lage des Verfahrens sich des Beistandes eines Verteidigers bedienen könne. Dieser Satz hätte jedoch die Aufhebung der Bestimmung des § 192 StPO bedeuten können, wonach bei der Voruntersuchung die richterliche Vernehmung ohne Gegenwart des Staatsanwalts und des Verteidigers stattfinde. Die Mehrheit des Ausschusses trat deshalb zwar dafür ein, daß für die Voruntersuchung bezw. für das Haftprüfungsverfahren das Recht des Verteidigers mindestens um das Recht auf Akteneinsicht erweitert werden solle, wollte diese Frage jedoch einer Reform der Strafprozeßordnung überlassen. Von besonderer Wichtigkeit ist noch, daß die Freiheit der Person, die gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 2 unverletzlich ist, nach Art. 104 Abs. 1 nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden darf. Damit ist der Gesetzesvorbehalt in dem weiten Sinne, wie ihn Art. 114 der Weimarer Verfassung kannte, und wodurch damals dieses wichtige Grundrecht leerlaufend wurde, weil jede Rechtsnorm irgendwelcher Art, insbesondere auch eine auf Gewohnheitsrecht beruhende polizeirechtliche Norm als ausreichend angesehen wurde, beseitigt. Das gemäß Art. 104 erforderliche Gesetz muß außerdem nach Art. 19 Abs. 1 allgemeinen Charakter tragen. Gemäß Abs. 2 und 3 des Art. 104 obliegt die Entscheidung über Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung ausschließlich dem Richter.

Eine rechtspolitische Entscheidung von größter Tragweite ist mit der in Art. 102 erfolgten Abschaffung der Todesstrafe getroffen.

Siehe auch: Aus den Protokollen des Plenums des Parlamentarischen Rates (2. Sitzung vom 8. September 1948, 3. Sitzung vom 9. September 1948 und 9. Sitzung vom 6. Mai 1949 = Beschlussfassung zum Abschnitt „Die Rechtsprechung“ des Grundgesetzes)

 

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